Saluschnij als Oberbefehlshaber der Ukrainischen Streitkräfte entlassen
Es hatte sich angekündigt – für manche Beobachter bereits im vergangenen Frühling: Nun hat der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij am Donnerstag den Schritt unternommen und den bisherigen Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte entlassen. „Heute wurde die Entscheidung getroffen, die Führung der Streitkräfte zu wechseln.
Ich bin General Saluschnij aufrichtig dankbar für alle seine Leistungen und Siege", sagte Verteidigungsminister Rustem Umierov. „Ich habe General Saluschnij angeboten, weiterhin dem Team des ukrainischen Staates anzugehören. Ich wäre ihm für seine Zustimmung dankbar“, sagte Selenskij in einer Videobotschaft.
Bereits bei der Verteidigung Bachmuts waren Selenskij und sein Oberbefehlshaber unterschiedlicher Meinung: Saluschnij empfahl, die Stadt aufzugeben, um die hohen Verluste der ukrainischen Streitkräfte zu reduzieren und genügend Soldaten für die Gegenoffensive im Süden zur Verfügung zu haben. Selenskij wollte die Stadt halten und zum „Symbol des Widerstands“ machen. Als Salushnij im Herbst einen aufsehenerregenden Essay veröffentlichte, in dem er ausführte, was notwendig wäre, aus der „militärischen Pattstellung“ herauszukommen, war das für Selenskij ein Affront: Er hält daran fest, dass die Ukraine sowohl die Krim als auch den Donbass zurückerobern müsse, ehe Frieden geschlossen werden könne. Spätestens seit der gescheiterten Gegenoffensive im Sommer ist dieses Ziel in weite Ferne gerückt.
Ein "sowjetischer" Kommandant
Zu den Meinungsverschiedenheiten hinzukommen könnte, dass der General den Präsidenten in Umfragen überflügelt: Selenskijs Werte sinken seit Herbst stetig. Nur mehr 62 Prozent der Ukrainer vertrauen ihm, nicht mehr knapp 90 wie zu Kriegsbeginn. Saluschnij (88 Prozent Zustimmung) hingegen wird unverändert als Volksheld wahrgenommen – und man traut ihm mehr zu: In einer Stichwahl um das Präsidentenamt würden derzeit beide gleich viele Stimmen bekommen.
Auf Saluschnij nachfolgen soll Generaloberst Oleksandr Sirskij, der sich als Kommandant der Bodentruppen durch die Verteidigung Kiews sowie die erfolgreiche Gegenoffensive im Herbst 2022 einen Namen gemacht hat. Der 58-Jährige ist bei den einfachen Soldaten allerdings längst nicht so beliebt wie Saluschnij: Ein Grund dafür ist, dass er als „sowjetischer“ Kommandant angesehen wird, der vor allem bei der Verteidigung Bachmuts viele Verluste zuließ, ehe er die Truppen abzog und die Stadt in die Hände der Russen fiel.
Saluschnij hingegen gilt als „westlich“ ausgebildeter General, dem – so wird es ihm in der Truppe nachgesagt – Menschenleben sehr wohl wichtig wären.
Wie Saluschnij nun reagieren wird, ist noch unklar. Offiziell hat er keine Ambitionen auf ein politisches Amt bekundet, sie allerdings auch nicht dementiert.
Auf Sirskij kommen jedenfalls harte Zeiten zu: Nach wie vor ist nicht klar, wann und ob weitere Militärhilfe aus den USA kommt, gleichzeitig will die Ukraine ein weiteres Mal mobilisieren, um weiterhin Widerstand leisten zu können. Die meisten Beobachter gehen davon aus, dass die Ukraine in diesem Jahr hauptsächlich in der Defensive sein wird.
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