Selbstmord oder Mord? Der Fall Epstein wird zum Polit-Krimi

Jeffrey Epstein erhängte sich in seiner Zelle
Der Tod des wegen sexuellen Missbrauchs minderjähriger Mädchen inhaftierten US-Milliardärs Jeffrey Epstein wirft Fragen auf.

Neben der Bundespolizei FBI hat auch Justizminister William Barr eine Untersuchung angekündigt. Barr zeigte sich “entsetzt” über die Nachricht, dass der 66-jährige Gesellschaftlöwe mit besten Verbindungen zu Politik, Adel und Finanzwelt am frühen Samstagmorgen in seiner Zelle im “Metropolitan Correctional Center” in Manhattan leblos aufgefunden und später in einem Krankenhaus für tot erklärt wurde.

Der Vorgang “wirft viele ernste Fragen auf”, erklärte Barr. Meldungen von US-Medien, die sich auf Quellen bei Polizei und Gefängnisbehörden beriefen und früh Selbsttötung durch Erhängen als Todesursache angaben, bestätigte Barr nicht. In sozialen Netzwerken wird intensiv spekuliert, Epstein könnte Opfer eines Auftrags-Verbrechens geworden sein, “weil er zu viel wusste”.

Ein Netzwerk von Prinz Andrew bis Trump

Epstein, ein in New York mit Finanzgeschäften zu Reichtum gekommener Junggeselle mit einem Bekanntenkreis, der von Ex-Präsident Bill Clinton über Englands Skandal-Prinz Andrew bis zu Donald Trump und dem Damenunterwäsche-Unternehmer Leslie Wexner (Victoria’s Secret) reichte, saß seit Juli hinter Gittern.

Ihm wurde vorgeworfen, Anfang der 2000er Jahre Dutzende minderjährige Mädchen, manche sollen erst 14 gewesen sein, sexuell missbraucht und ausgebeutet zu haben; persönlich - und über einen Kindersex-Ring durch Vermittlung an Dritte. Im für Sommer 2020 angesetzt gewesenen Prozess hätten Epstein im Falle einer Verurteilung 45 Jahre Gefängnis gedroht.

Der Fall sorgt für großes Aufsehen, weil er bereits zu den Akten gelegt schien. Trumps Arbeitsminister Alexander Acosta ist deswegen zurückgetreten. Er war 2008 Bundesstaatsanwalt und hatte Epstein bei einem einschlägigen Verfahren in Florida glimpflich davonkommen lassen. Epstein bekam nach Florida-Gesetz 13 Monate Haft, hatte aber täglich Freigang. Obwohl als pädophiler Sextäter offiziell registriert, tauchte er danach wieder im Leben der Reichen und Schönen auf.

Dass Epstein mehr als zehn Jahre später wieder in die Mühlen der Strafverfolgung geriet, lag maßgeblich an der journalistischen Arbeit des “Miami Herald”. Das Blatt hatte mehrere Opfer Epsteins ausfindig gemacht und umfassend zum Reden gebracht. So entstand das detaillierte Bild eines “Sex-Monsters mit Freunden in hohen Positionen”, sagte ein Analyst im Fernsehen.

Epstein war kurrzeitig auf "suicide watch"

Als sich der Eindruck verfestigte, es gebe weit mehr Betroffene, schlug die Staatsanwaltschaft in New York zu. Sie ließ Epstein bei der Rückkehr im Privatflugzeug aus Europa verhaften. Bei Durchsuchungen seines opulenten Stadthauses in Manhattan wurden „Hunderte, wenn nicht Tausende Fotos nackter, offenbar minderjähriger Mädchen“ gefunden, sagte die Staatsanwaltschaft.

Alle Bemühungen Epsteins, der 100 Millionen Dollar Kaution zu zahlen bereit war, bis Prozessbeginn auf freien Fuß zu kommen, wurden vom Richter wegen Fluchtgefahr abgelehnt.

Am 23. Juli wurde Epstein in seiner Zelle bewusstlos und mit Verletzungen am Nacken aufgefunden. Ob es sich um einen Selbstmordversuch handelte oder ob Gewalt Dritter im Spiel war, ist bis heute offiziell nicht bekannt. Tatsache aber ist, dass Epstein für mehrere Tage auf “suicide watch” genommen wurde. Sprich Rund-um-die-Uhr-Beobachtung per Kamera. Und bewusstes Fernhalten von Gegenständen, mit den sich der prominente Häftlinge hätte selbst schaden können. Nach Angaben aus Justizkreisen, über die die “New York Times” und andere Leitmedien berichten, wurde die Sonder-Beobachtung für Epstein kürzlich aufgehoben. Warum und auf wessen Veranlassung? Unklar.

Strafvollzugsexperten halten den Vorgang für “höchst ungewöhnlich” und “verdächtig” und “schädlich für den Ruf der Regierung Trump, die für die Bundesgefängnisse verantwortlich ist”. Wenn ein Sträfling der Gefahr von Übergriffen durch Mithäftlinge oder Selbstmord-Gedanken ausgesetzt gewesen sei - dann Epstein. Fachleute erwarten, dass Videos Aufschluss darüber geben, was in Epsteins Zelle tatsächlich geschah.

Ermittlung nun "um einiges" erschwert

Und ob womöglich ein Zusammenhang mit erst in dieser Woche bekannt gewordenen älteren Gerichtsunterlagen besteht, die neben Epstein auch andere schwer belasten. Danach hatte Virginia Giuffre, ein junges Opfer Epsteins, 2016 ausgesagt, dass sie von dem New Yorker Millionär ausgebeutet und danach an etliche Prominente für sexuelle Dienstleistungen “ausgeliehen” worden sei. Unter den genannten Namen sind: Mitglieder von Königshäusern (England), ein Premierminister, ein früherer Gouverneur, zwei ehemalige US-Senatoren, ein inzwischen verstorbener Top-Wissenschaftler und reiche Finanziers. Einige der Beschuldigten haben die Vorwürfe als erfunden abgestritten.

Mit Epsteins Tod wird die Aufklärung des Skandals um Kindersex und Zwangsprostitution nach Einschätzung beteiligter Juristen “um einiges schwieriger - oder sogar unmöglich”. Opfer Epsteins zeigen sich in ersten Stellungnahmen “wütend über das Versagen der Justizbehörden”. Frieden zu finden mit den Geschehnissen von damals, sei nun kaum mehr möglich, sagte Jennifer Aroz. Sie gibt an, im Alter von 15 Jahren von Epstein vergewaltigt worden zu sein und fordert, dass die “Ermittlungen trotz des Todes der Hauptperson weitergehen”.

Donald Trump, der sich zuletzt nach Kräften von Jeffrey Epstein distanzierte, nachdem Videos von beiden Männern aus den 90er Jahren aufgetaucht waren, die sie bei Partys in Florida mit jungen Frauen zeigen, sagte vor einigen Jahren: „Großartiger Typ. Ich kenne Jeff seit 15 Jahren. Macht viel Spaß mit ihm zusammen zu sein. Man sagt sogar, dass er so wie ich schöne Frauen mag. Und viele von ihnen sind jünger. Kein Zweifel - Jeff genießt sein Gesellschaftsleben.“

Zum Tod Epsteins und den Aufsehen erregenden Umständen hat sich der amerikanische Präsident bisher nicht geäußert.

Kommentare