Seehofer-Brief zum Brexit sorgt für Irritation in Brüssel

Deutscher Innenminister für "unbegrenzte Zusammenarbeit" mit London in Sicherheitsfragen. EU-Unterhändler: Ist "nicht die Position des Europäischen Rates".

Deutschlands Innenminister Horst Seehofer sorgt mit Ermahnungen an die Brexit-Unterhändler der EU-Kommission für Irritation in Brüssel. In einem Brief, aus dem die "Financial Times" am Freitag zitierte, hatte der CSU-Chef vorige Woche das Team um EU-Chefunterhändler Michel Barnier gedrängt, in Sicherheitsfragen nach dem EU-Austritt eine "unbegrenzte Zusammenarbeit" mit Großbritannien anzustreben.

Ein Sprecher Barniers erklärte dazu am Freitag knapp, das sei "nicht die Position des Europäischen Rates einschließlich Deutschlands". Die EU versucht seit Beginn der Brexit-Verhandlungen alles, sich nicht auseinanderdividieren zu lassen.

Wie eng Großbritannien nach dem Austritt langfristig bei Terror- und Kriminalitätsbekämpfung mit der EU zusammenarbeitet, soll in den kommenden Wochen bei Verhandlungen geklärt werden. Diese Gespräche haben noch nicht richtig begonnen, weil noch wichtige Trennungsfragen offen sind. Premierministerin Theresa May hatte beim EU-Gipfel vorige Woche ebenfalls auf eine möglichst enge Sicherheitspartnerschaft gedrungen, mit ganz ähnlicher Stoßrichtung wie jetzt Seehofer laut "FT".

Komme man nicht zu einer unbegrenzten Sicherheitspartnerschaft, würden Menschenleben gefährdet, zitiert die britische Zeitung aus Seehofers Brief. Die Sicherheit der Bürger zu gewährleisten solle Priorität vor allen anderen Aspekten der Austrittsverhandlungen haben.

Der EU-Unterhändler Barnier vertritt indes die Position, nach dem Brexit könne die Sicherheitskooperation etwa beim Austausch von Daten notwendigerweise nicht mehr so eng sein wie jetzt. Das sei eine logische Folge des Austritts, den Großbritannien gewählt habe.

Kurz: Noch genug Zeit

Kanzler Sebastian Kurz ( ÖVP) zeigt sich trotz den jüngsten Verzögerung bei den Brexit-Verhandlungen zuversichtlich. Es "gibt es noch genug Zeit, die auch genutzt werden soll", betonte Kurz bei einer Pressekonferenz mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Freitag in Wien. Sollte es zu keiner fristgerechten Einigung kommen, sollten "wir alles tun, um einen 'Hard Brexit' zu vermeiden".

Im Herbst 2018 - also noch während der EU-Ratspräsidentschaft Österreichs - gehen die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union in die heiße Phase. Bis zum EU-Gipfeltreffen im Oktober sollten die Gespräche über den gesamten Austrittsvertrag abgeschlossen sein, um eine rechtzeitige Ratifizierung durch das Europaparlament und das britische Parlament zu ermöglichen. Der EU-Austritt der Briten steht im März 2019 auf dem Programm. Derzeit ringt aber die britische Regierung noch um eine gemeinsame Linie für den EU-Austritt.

Brexit-Chefverhandler der EU ist der Franzose Michel Barnier. Ihn, so Kurz bei der Pressekonferenz in Wien, wolle Österreich "bestmöglich" unterstützen. Die Brexit-Beratungen der 27 verbleibenden EU-Staaten im Allgemeinen Rat stehen dagegen im zweiten Halbjahr unter der Leitung Österreichs, das durch den für EU-Fragen zuständigen Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP) vertreten wird.

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