Schwerer russischer Beschuss und Luftangriffe im Donbass

UKRAINE-RUSSIA-CONFLICT
Die Städte Sjewjerodonezk und Lyssytschansk wurden von Russland am Mittwoch heftig beschossen. Auch politisch tat sich Neues.

In der Ostukraine verstärkte Russland am Mittwoch seine Angriffe. Nach Angaben des Präsidialamts in Kiew startete das russische Militär eine Offensive auf Sjewjerodonezk. Die Stadt stehe unter anhaltendem Artilleriebeschuss. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warnte vor einem Nachlassen der Sanktionen gegen Russland wegen Kriegsmüdigkeit in den westlichen Staaten.

Der Gouverneur der Region Lugansk, Serhyj Gayday, sagte, bei den Angriffen seien sechs Menschen getötet worden. Mindestens acht weitere hätten Verletzungen erlitten, die meisten in der Nähe von Bunkern. Reuters konnte die Angaben zu den Kämpfen zunächst nicht verifizieren.

Die Stadt Sjewjerodonezk am Ostufer des Flusses Siwerskyj Donez und ihre Zwillingsstadt Lyssytschansk am Westufer stehen derzeit besonders im russischen Fokus. Das russische Militär rückte von drei Seiten auf die beiden Städte vor und versucht, sie einzukreisen. Vor dem Krieg hatten die beiden Städte zusammen rund 200.000 Einwohner.

Die russischen Streitkräfte haben nach eigenen Angaben bei den schweren Luftangriffen in der Nacht auch ein ukrainisches Motorenwerk und mehrere Bahnhöfe attackiert. "Mit luft- und seegestützten Hochpräzisionsraketen wurden die Produktionshallen der Fabrik Motor Sitsch zerstört, die Flugmotoren für die ukrainischen Streitkräfte baut, darunter auch für unbemannte Drohnen", sagte der Sprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Igor Konaschenkow, am Mittwoch. Seinen Angaben zufolge wurde auch der Bahnhof der städtischen Siedlung Pokrowske im Gebiet Dnipropetrowsk von Raketen getroffen. Ziel hier sei ein Truppentransport von Reservisten gewesen, die auf dem Weg in die Donbass-Region waren.

Neues Gesetz: Altersgrenze für russische Soldaten auf 50 angehoben

Das russische Parlament billigte ein Gesetz, mit dem die Altersobergrenze für Vertragsbeziehungen im Militär aufgehoben wird. Der Entwurf wurde in ungewöhnlich schneller Zeit in nur einer Sitzung durchgewunken. Es fehlt noch die Unterschrift von Präsident Wladimir Putin. Bisher können nur Russen im Alter von 18 bis 40 Jahren eingezogen werden - oder Ausländer im Alter von 18 bis 30 Jahren als Soldaten dienen. Männer und Frauen können künftig bis zu 50 Jahre alt sein, wenn sie sich vertraglich für den Dienst in der Armee verpflichten.

Ferner hat Putin ein Dekret unterzeichnet, das es in den eroberten Gebieten ermöglicht, einfacher die russische Staatsbürgerschaft und einen russischen Pass zu bekommen. Das Dekret weitet damit ein Verfahren aus, das bereits seit 2019 für Bewohner der von pro-russischen Separatisten kontrollierten Gebiete Donezk and Luhansk im Osten der Ukraine gilt.

Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warnte indes vor einer "Kriegsmüdigkeit" in den westlichen Staaten. "Wir haben einen Moment der Fatigue erreicht", sagte Baerbock u.a. im norwegischen Kristiansand nach Abschluss des Ostseerats. Dennoch müssten die Sanktionen gegen Russland und die Hilfen für die Ukraine aufrechterhalten bleiben.

Selenskij will Putin treffen, der besuchte erstmals wieder ein Krankenhaus

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj pochte erneut auf ein direktes Gespräch mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin. Beratungen über Vermittler lehnt er in einer Video-Ansprache vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos erneut ab. Wenn Putin die Realität begreife, dann bestehe die Chance, einen diplomatischen Ausweg aus dem Konflikt zu finden.

Die Führung in Moskau solle ihre Truppen zu den Linien vor Beginn ihrer Invasion der Ukraine am 24. Februar zurückziehen, forderte Selenskyj. "Das könnte ein erster Schritt in Richtung Gespräche sein." Die Ukraine werde kämpfen, bis sie ihr gesamtes Territorium zurückgewonnen habe. "Ich kann nur mit dem Präsidenten direkt sprechen, keine Mittelspersonen, keine Vermittler", sagte Selenskyj. Dafür müsse Putin seine Blase verlassen. Derzeit verhandle Russland nicht ernsthaft.

Russlands Präsident Vladimir Putin besuchte am Mittwoch in einem Moskauer Krankenhaus erstmals seit Ende Februar wieder Soldaten, die im Krieg gegen die Ukraine verwundet wurden. Kremlsprecher Dmitri Peskow wies am Mittwoch laut Nachrichtenagentur Interfax Spekulationen zurück, dass bei dem Besuch eine neue Strategie für die Kämpfe in der Ukraine verkündet werden solle.

Die russische Seite gibt äußerst spärliche Informationen zu den Toten und Verwundeten auf eigener Seite. Zuletzt hatte das Verteidigungsministerium Ende März Zahlen veröffentlicht. Demnach sind in der Ukraine 1.351 russische Soldaten getötet und 3.825 verwundet worden. Kiew hingegen gibt die Zahl der getöteten Russen mit fast 30.000 an. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.

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