"Schwere Belastung": Von der Leyens Wahl sorgt zu Hause für Zoff

"Schwere Belastung": Von der Leyens Wahl sorgt zu Hause für Zoff
Die Wahl oder Nicht-Wahl von Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin könnte Folgen für die Koalition haben.

Eigentlich hätte Kanzlerin Angela Merkel guten Grund zum Feiern: Sie wird an diesem Mittwoch 65 Jahre, ist nach wie vor im Amt und Dienstagabend schaffte es ihre Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen  an die Spitze der EU-Kommission. Aber Merkel hat keine öffentlichen Feierlichkeiten  im Sinn, Kabinettssitzung steht auf dem Plan. Und dort wird es nun Redebedarf geben. Das liegt in erster Linie am Zwist zwischen SPD und Union über von der Leyens Nominierung. Die Spitze der Sozialdemokraten kritisierte, dass sie nicht als Spitzenkandidatin bei der EU-Wahl angetreten war. Dass die 16 SPD-Abgeordneten in Brüssel vorab angekündigt hatten, sie nicht zu wählen, sorgte beim Koalitionspartner CDU/CSU für viel Ärger. Ebenso ein von ihnen in englischer Sprache verfasstes Papier mit der Überschrift "Warum Ursula von der Leyen eine unzulängliche und ungeeignete Kandidatin ist". Und je näher der Wahltermin in Brüssel rückte, desto mehr nahmen die Warnungen zu: CSU-Chef Markus Söder erklärte, dass eine Ablehnung zur "schweren Belastung" für die Koalition werden würde.

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Doch ganz so einig waren sich die deutschen Sozialdemokraten dann doch nicht: Der ehemalige Bundesinnenminister Otto Schily kritisierte seine Partei für ihre ablehnende Haltung. SPD-Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann riet seinen Genossen zur Wahl Ursula von der Leyens – „alles andere wäre eine Schwächung der Europäischen Union“. Was er dabei vielleicht ebenfalls im Kopf hatte: Die Regierungskoalition wirkt durch die Personaldebatte erneut zerstritten und bisher Erreichtes rückt in den Hintergrund. Ein Image, das den Parteien bereits zuvor viele Stimmen kostete und ihnen bei den Wahlen in Ostdeutschland schaden könnte.

Weil von der Leyen auch ohne die Stimmen der SPDler eine knappe Mehrheit errang, wird der große Knall aber wohl ausbleiben. Ohnehin könnte es sich derzeit keine der Koalitionsparteien leisten, den Bruch der Regierung mit einer Personalfrage zu rechtfertigen. Klar, die Union würde eher damit argumentieren, dass die SPD keine deutsche Kandidatin unterstützt und quasi gegen die Interessen Deutschlands votiert hätte. Die Sozialdemokraten würden sich auf den „Hinterzimmer-Deal“ berufen und darauf verweisen, dass durch die Nicht-Berücksichtigung der Spitzenkandidaten das Wahlprinzip ad absurdum geführt wird und die Wähler getäuscht wurden.

Was vom Streit der vergangenen Wochen aber bleibt: Spannungen, die Angela Merkel vergangene Woche einräumte. Sie müssen nun gelöst werden. Einige SPD-Kabinettsmitglieder gratulierten gestern bereits in Richtung von der Leyen. Also gut möglich, dass die Koalition doch die Kurve kriegt – wieder einmal. Merkels viertem Kabinett wurde schon oft das  Ende prophezeit: Der Streit um die Flüchtlingspolitik in der Union und die Absetzung des umstrittenen Verfassungsschutzpräsidenten weiteten sich zu  Krisen aus. Sie konnten nur mit Mühe überwunden werden.  

AKK wird Ministerin

Was nun sicher noch für Gesprächsstoff sorgen wird: CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer soll das Verteidigungsressort übernehmen, das erfuhr die deutsche Presseagentur Dienstagabend. Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte die Entscheidung. Für viele Beobachter kam sie überraschend. Denn bisher lehnte AKK einen  Kabinettsposten ab. Die 56-Jährige tritt jedenfalls ein  schweres Erbe an. Sie muss sich neben den Parteiagenden auch mit  Beschaffungsbürokratie und einem U-Ausschuss wegen teurer externer Berater herumschlagen. Gleichzeitig bekommt sie durch das  Amt mehr Mitsprache in der  Regierung. Ob sie so dem Kanzleramt näherkommt, wird sich zeigen. Ihrer  Vorgängerin, einst auch Merkels Favoritin, ist dies nicht gelungen. Dafür nun der Sprung nach Brüssel.

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