Schutz der Außengrenze: "EU-Staaten haben kollektive Verantwortung"
"Wir haben zu lange gewartet und waren nicht in der Lage, die Außengrenze besser zu schützen. Das sehen wir in Griechenland", sagt der Erste Vizepräsident der EU-Kommission, Frans Timmermans, zur Notwendigkeit für raschere und effizientere Kontrollen der Außengrenzen. Die Kommission wird ihre Vorschläge am Dienstag offiziell präsentieren.
Ein Frontex-Team soll bei Bedarf eingreifen und dabei auf ein Korps von mindestens 1500 Grenzschützern aus den Mitgliedsländern zurückgreifen. Im Gespräch mit Korrespondenten (Le Monde, de Volkskrant, KURIER) am Samstag in Brüssel stellt Timmermans klar, dass ein Team nur "im äußersten Notfall, wenn ein Mitglied nicht bereit oder fähig ist, das Problem zu lösen, zum Einsatz kommt". Gerät die Lage an der Grenze außer Kontrolle, wie zuletzt in Griechenland, bewertet ein Analysezentrum von Frontex das Risiko. Setzt ein Staat die Empfehlungen nicht um, kann die Kommission innerhalb kürzester Zeit ein Frontexteam entsenden. Timmermans sieht darin keine Verletzung der Souveränität: "Unsere Außengrenzen sind gemeinsame Grenzen, und die Mitglieder haben eine kollektive Verantwortung."
Vielfältiger Ansatz
Die Kontrolle der Außengrenze sei "ein Puzzle" in einem größeren Bild, zu dem Hotspots, die Registrierung der Flüchtlinge, die Auswahl der Schutzbedürftigen und die Rückführung jener gehören, die keinen Anspruch auf Asyl haben. Timmermans kritisiert die Verteilung der Flüchtlinge aus Griechenland und Italien auf andere Staaten als "zu langsam", es müsse "mehr Druck geben". Dezidiert stellt er fest, dass mit der Türkei keine Zahl für eine Umsiedlung ausverhandelt worden sei. Die kolportierte Größe von 400.000 komme aus Deutschland. "Langfristig ist Resettlement aber der einzige Weg, festzulegen, wer in ein Land kommt und wie Schlepper zu stoppen sind."
Keinen Zweifel hat Timmermans, dass die Flüchtlingskrise weitaus tiefer ist als die Eurokrise. "Die Dimension des Problems ist größer. Geld war abstrakt. Jetzt sieht man die Krise auf der Straße, verbunden mit dem Risiko, Identität und Sicherheit zu verlieren."
Große Sorgen macht ihm das Erstarken rechter Parteien, was Wahlgänge in ganz Europa zeigten. "Der Rechtsruck ist ein langer Prozess, es gibt Unzufriedenheit mit der Politik, die Mittelklasse ist pessimistisch über die Zukunft. Gleichzeitig gibt es Sehnsucht nach Gemeinschaft", analysiert Timmermans. Sein Vorschlag: Die Parteien sollen Gemeinschaften integrieren und nicht ausschließen, was nicht bedeutet, dass es keine Regeln gibt. "Konfrontation in einer vielfältigen Gesellschaft ist einfach Gift." "Sehr betroffen" ist der EU-Spitzenpolitiker über die Zunahme von Antisemitismus. "Das Problem wird größer. Es gibt einen neuen Antisemitismus, der von Antizionismus begleitet ist." Für jüdische Gemeinden habe Timmermans eine Kontaktperson in der Kommission benannt. Besorgt sei er auch über stärker werdenden Hass gegenüber Muslime. Der Kampf gegen Antisemitismus und Islamophobie sei "eine große Aufgabe" für alle.
Als "extrem nützlich" nennt er den Zusammenschluss der von der Flüchtlingskrise besonders betroffenen Länder und die von Faymann und Merkel initiierte "Koalition der Willigen". Sie arbeiten an Lösungen und verfolgen die Umsetzungen des Aktionsplanes mit der Türkei. Erneut erteilte Merkel den Forderungen nach einer Obergrenze eine Absage, während der deutsche Präsident Gauck vor einer "Überforderung" warnte.
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