Als oberster ÖBB-Bahnmanager war Christian Kern in die Politik gekommen, jetzt sitzt der sozialdemokratische Ex-Kanzler im Aufsichtsrat der russischen Staatsbahn RZD. Dass er sich während seiner Kanzlerschaft gegen die – nach der Krim-Annexion verhängten – Russland-Sanktionen ausgesprochen hatte, dürfte bei seiner Berufung nicht hinderlich gewesen sein.
Ex-Finanzminister Hans Jörg Schelling war ein Jahr lang als Berater für Gazprom, im Konkreten für das umstrittene Pipeline-Projekt Nord Stream 2 tätig. Sein Vertrag ist 2019 ausgelaufen.
Karin Kneissl wiederum sitzt seit dem Vorjahr als einziges weibliches Mitglied im Aufsichtsrat des russischen Ölkonzerns Rosneft. Vergangenen Sommer wurde die ehemalige, parteilose Außenmnisterin ins Board berufen. Dass die frühere Diplomatin über gute Beziehungen zum Kreml verfügte, zeigte sich spätestens bei ihrer Hochzeit, bei derPräsident Wladimir Putin auftauchte und mit ihr getanzt hatte.
Chef des Aufsichtsrates bei Rosneft ist niemand anderer als der deutsche Altkanzler Gerhard Schröder.
Ohne seinen Lobby-Einsatz für den Kreml wäre schon die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 nicht gebaut worden. Sofort nach seiner Wahlniederlage 2005 stieg der Sozialdemokrat im Aufsichtsrat von Nord Stream ein. Seine guten Kontakte in die deutsche Politik, vor allem aber zu anderen europäischen Politikern erwiesen sich für Moskau als pures Gold.
„Mit Schröder auf der Gehaltsliste haben sich die Russen auch direkten Zugang zu einer langen Reihe hochrangiger europäischer Sozialdemokraten erkauft“, schreibt der dänische Investigativjournalist Jens Hovsgaard. Der hatte akribisch die Entstehungsgeschichte von Nord Stream 1 nachrecherchiert. Schröder, den der inhaftierte Dissident Alexej Nawalny nur abschätzig als „Laufburschen Putins“ bezeichnet, soll jährlich an die 500.000 Euro abkassieren.
"Schröderisierung"
Und gerade am Beispiel Schröders sollte ein Schlussstrich gezogen werden, fordert auch der britische Tory-Abgeordnete Tom Tugendhat: "Wir müssen die Schröderisierung von Europas Eliten einstellen." Denn diese Eliten mit ihren weitreichenden Netzwerken dienten nun Interessen, "die mit ihren autoritären Kräften den Westen unterminieren wollen."
Von Schröder angeworben und auch auf der Payroll des Kreml sollen sich zwei weitere ehemalige sozialdemokratische Ex-Regierungschefs befinden: Schwedens Ex-Premier Göran Persson arbeitet für eine Kommunikationsfirma, die von Moskau bezahlte Lobbyarbeit für Nord Stream betreibt.
Finnlands Ex-Premier Paavo Lipponen wirft sich ebenfalls als Berater und Lobbyist für Nord Stream ins Zeug. Beide skandinavischen Ex-Premiers hatten sich übrigens in ihrer Regierungszeit vor dem Bau von Nord Stream kritisch zur Pipeline geäußert. Sie hatten schwere Schäden für die Umwelt befürchtet.
Als bislang letzter ist der französische Ex-Premier Francois Fillon in den Kreis der einflussreichen Aufsichtsräte in Russland getreten.
Vor fünf Jahren wollte der Konservative noch Präsident werden, doch er stürzte über einen Strudel von Korruptionsaffären. Mittlerweile wurde der 67-Jährige wegen Veruntreuung staatlicher Gelder und Scheinbeschäftigungen zu fünf Jahren Haft (drei auf Bewährung) verurteilt.
Fillon hat Berufung eingelegt – und baut stattdessen seine Geschäftsbeziehungen zu Moskau aus. Seit Mitte 2021 ist er Mitglied des Aufsichtsrates des staatlichen Ölunternehmens Sarubeschneft, dort soll er dem Vernehmen nach zwischen 55.000 und 115.000 Euro pro Jahr für sein Mandat erhalten.
Seit Dezember sitzt Fillon zusätzlich im Aufsichtsrat von Sibur, einem der größten petrochemischen Konzerne Russlands. Nicht überraschend: Nach Angaben des Kreml hat Fillon „ziemlich gute Beziehungen“ zu Präsident Wladimir Putin.
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