"Schlitzaugen"-Rede: EU-Parlamentarier fassungslos über Oettinger-Entgleisungen

EU-Kommissar Oettinger will seine Äußerungen über Chinesen als "Schlitzohren und Schlitzaugen" nicht abfällig gemeint haben. Peking sieht "verblüffendes Überlegenheitsgefühl" westlicher Politiker. Lunacek und Vilimsky für Rücktritt des Kommissars.

Die umstrittenen Aussagen von EU-Digitalkommissar Günther Oettinger über Chinesen mit Schlitzaugen, eine Pflicht-Homoehe, zur Frauenquote und über die Wallonie als "Mikro-Land" unter kommunistischer Führung, das europäische Einigungen blockiert, empören EU-Parlamentarier. Abgeordnete von SPD, Grünen und Liberalen forderten am Mittwoch Konsequenzen.

Die SPÖ-Delegationsleiterin im EU-Parlament, Evelyn Regner, verlangt eine Entschuldigung Oettingers. Der Kommissar müsse die Dinge klarstellen, sagte Regner. Totschweigen wäre das schlechteste. Ihr SPD-Fraktionskollege Udo Bullmann meinte, "Oettingers Entgleisungen machen fassungslos." Er kritisierte auch die "unbekümmerte Art", mit der die deutsche Kanzlerin Angela Merkel über die Aussagen des deutschen Kommissars hinweggeht. In Europa sei weder Platz für Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, noch für Homophobie. Ebenso unmöglich seien die "Verunglimpfungen" der demokratisch gewählten wallonischen Regionalregierung in Belgien.

"Schlitzaugen"-Rede: EU-Parlamentarier fassungslos über Oettinger-Entgleisungen
European Commissioner for digital economy and society Gunther Oettinger (L) and European Commissioner for Trade Cecilia Malmstrom speak ahead of a formal debate on Poland for breaching EU democratic standards over changes to state media and the constitution, at the European Commission in Brussels on January 13, 2016. The EU puts a defiant Poland in the dock over Poland's new right-wing government decision to gain control over Poland's top court and public broadcaster, which could see Warsaw hit with punitive measures. / AFP / EMMANUEL DUNAND

Oettinger-Anhörung "wird sehr ungemütlich"

Der grüne EU-Abgeordnete Sven Giegold sieht einen Schaden für die gesamte Kommission. Oettinger habe "üble Ressentiments bedient, eine Entschuldigung wäre jetzt das Mindeste". Mit der "hochnäsigen Reaktion" auf die Kritik manövriere sich Oettinger immer weiter ins Abseits. Jedenfalls werde die Anhörung von Oettinger im EU-Parlament, wenn er nach dem Abgang von Budgetkommissarin Kristalina Georgiewa den Haushaltsbereich übernehmen soll, "sehr ungemütlich werden".

Die NEOS-Abgeordnete und liberale EU-Mandatarin Angelika Mlinar schloss sich dem an und betonte, "wir werden Oettinger im Hearing auf den Zahn fühlen". Ein Kommissar müsse nicht nur die inhaltlichen Details seiner Arbeit kennen, sondern auch die Werte der EU nach außen vertreten können und leben. Jedenfalls dürfe das Verhalten Oettingers "nicht Teil der politischen Kultur in Europa werden".

"Die Worte des Kommissar sind eine Beleidigung der wallonischen Bürger, der Zivilgesellschaft und der demokratisch gewählten Politiker"

"Schlitzaugen"-Rede: EU-Parlamentarier fassungslos über Oettinger-Entgleisungen
PS chairman Elio Di Rupo delivers a speech at a congress of French-speaking socialists PS to open the political year, on October 2, 2016 in Soignies. / AFP PHOTO / Belga / NICOLAS MAETERLINCK / Belgium OUT
Der Chef der Sozialdemokraten in der Wallonie, der frühere belgische Premier Elio di Rupo, hat in einem Brief an EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker die Aussagen Oettingers ebenfalls scharf verurteilt. "Die Worte des Kommissar sind eine Beleidigung der wallonischen Bürger, der Zivilgesellschaft und der demokratisch gewählten Politiker" der belgischen Region. Juncker solle Oettinger zur Ordnung rufen.

Die EU-Kommission selbst hatte zuletzt defensiv reagiert. Man warte, was Oettinger zu sagen habe. Ein Sprecher wollte die Oettinger-Aussagen nicht bewerten. Der EU-Kommissar selbst hatte am Wochenende seine Aussagen nicht zurückgenommen oder sich entschuldigt, sondern lediglich gemeint, dass "Schlitzaugen" eine "saloppe Äußerung" gewesen sei.

China verärgert über "Schlitzaugen"-Äußerung

Mit Verärgerung hat China am Mittwoch auf die "Schlitzaugen"-Äußerungen von EU-Kommissar Günther Oettinger reagiert. Eine Sprecherin des chinesischen Außenministeriums sagte in Peking, die Bemerkungen offenbarten ein "verblüffendes Überlegenheitsgefühl" bei so manchen westlichen Politikern.

"Wir hoffen, dass sie lernen, sich selbst und andere objektiv zu betrachten und andere zu respektieren und als Gleichberechtigte zu behandeln", sagte Hua Chunying.

"Alle Haare von links nach rechts mit schwarzer Schuhcreme gekämmt"

"Schlitzaugen"-Rede: EU-Parlamentarier fassungslos über Oettinger-Entgleisungen
epa04906618 EU Commissioner for Digital Economy and Society, Guenther Oettinger speaks during the 24th Baltic Sea Parliamentary Conference (BSPC) annual conference in Rostock, Germany, 31 August 2015. Some 180 lawmakers from Baltic parliaments and other guests discuss on cross-border cooperation in various fileds at the annual conference, this year running from 30 August to 01 September. EPA/JENS BUETTNER

Oettinger, früherer Ministerpräsident des deutschen Bundeslandes Baden-Württemberg, hatte bei einem Vortrag in Hamburg mit Blick auf die Konkurrenz aus China von "Schlitzohren und Schlitzaugen" gesprochen. Dabei sagte er auch, die Chinesen sähen aus, als hätten sie "alle Haare von links nach rechts mit schwarzer Schuhcreme gekämmt".

Oettinger, der derzeit EU-Kommissar für digitale Wirtschaft ist, soll zum Jahreswechsel das Haushaltsressort übernehmen. Für seine Äußerungen wurde er scharf kritisiert. Er wies den Vorwurf der Fremdenfeindlichkeit zurück und sagte in einem Interview, seine Wortwahl sei "nicht anstößig oder respektlos gemeint gewesen".

Vilimsky und Lunacek für Rücktritt des Kommissars

Der FPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament Harald Vilimsky hat nach den umstrittenen Aussagen von EU-Digitalkommissar Günther Oettinger erneut den Rücktritt von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker gefordert. "Den Oettinger kann er gleich mitnehmen", sagte Vilimsky Mittwoch. Die Grüne Delegationsleiterin Ulrike Lunacek verlangte ebenfalls ein Abdanken von Oettinger.

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APA18486444 - 22052014 - WIEN - ÖSTERREICH: vlnr.: Die Spitzenkandidaten für die EU-Wahl Harald Vilimsky (FPÖ), Ulrike Lunacek (Die Grünen), Eugen Freund (SPÖ), Angelika Mlinar (NEOS) und Othmar Karas (ÖVP) am Donnerstag, 22. Mai 2014, vor Beginn einer ORF-Diskussion der Spitzenkandidaten zur Europawahl. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH
Lunacek erklärte, Oettinger habe sich mit seinen Äußerungen über Schlitzohren für Chinesen, der Pflicht-Homoehe, der Frauenquote und der Angriffe auf die Wallonie als "Mikro-Region" Belgiens, die von Kommunisten geführt sei, "völlig disqualifiziert" und damit auch der Kommission insgesamt geschadet. Jetzt seien Juncker und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel gefordert, eine geeignete Nachfolge zu finden. Außerdem müsse sich Oettinger eindeutig entschuldigen. "Er muss durch eine Person ersetzt werden, die mit ihren Aussagen weder Menschen in der EU und weltweit brüskiert noch die EU in der internationalen wie europäischen Öffentlichkeit diskreditiert. Menschenverachtende Statements sind definitiv kein Kavaliersdelikt."

Vilimsky sagte, die verbalen Entgleisungen Oettingers "ziehen sich wie ein roter Faden durch seine politische Karriere". Trotzdem würden Juncker sowie EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Merkel schweigen. "Und dass es nicht nur Oettinger, sondern auch der Kommission nicht passt, wenn demokratisch parlamentarische Prozesse ein von der Bevölkerung stark kritisiertes Handelsabkommen verhindert hätten, zeigt dass man diese demokratischen Prozesse als reine Störfaktoren empfindet. Es ist vor allem Juncker, der diesen ganze intransparente und undemokratische Politik gegen die Bevölkerung betreibt. Daher fordere ich erneut den Rücktritt von Kommissionspräsidenten Juncker. Kommissar Oettinger kann er gleich mitnehmen", so Vilimsky.

"Wenn die komische Petry meine Frau wäre, würde ich mich heute Nacht noch erschießen."

(Am 15. Februar 2016 in Berlin über AfD-Chefin Frauke Petry während einer Podiumsdiskussion.)

"Ich möchte wetten, dass einmal ein deutscher Kanzler oder eine Kanzlerin im nächsten Jahrzehnt mit dem Kollegen aus Paris auf Knien nach Ankara robben wird, um die Türkei zu bitten, Freunde kommt zu uns."

(Am 18. Februar 2013 zum Umgang mit dem EU-Beitrittskandidaten Türkei.)

"Es gibt ja auch den Vorschlag, die Flaggen von Schuldensündern vor den EU-Gebäuden auf halbmast zu setzen. Das wäre zwar nur ein Symbol, hätte aber einen hohen Abschreckungseffekt."

(In einem Interview der "Bild"-Zeitung vom 9. September 2011 über Euro-Staaten, die dauerhaft zu hohe Schulden machen.)

"In my homeland Baden-Württemberg we are all sitting in one boat."

(In einer Rede am 11. Dezember 2009 bei einer Konferenz der New Yorker Columbia-Universität in Berlin.)

"Wenn irgendjemand argwöhnt, dass dies eine Abschiebung sei, kann ich darüber nur lachen."

(Am 25. Oktober 2009 über seinen Wechsel als EU-Kommissar nach Brüssel)

"Wenn Klaus Tappeser nicht Oberbürgermeister geworden wäre, wäre er sicher auch ein glänzender Frauenarzt geworden ­ bei den vielen Verehrerinnen, die hier sind."

(Am 5. August 2007 in Rottenburg beim 50. Geburtstag des örtlichen Oberbürgermeisters Tappeser (CDU).)

"Ich habe weiterhin die Absicht, in meiner Zeit außerhalb der Kernarbeitszeit gesellig zu bleiben, leutselig und bürgernah."

(Am 18. Dezember 2007 in Stuttgart befragt zu einer feucht-fröhlichen Feier im Keller der Brüsseler Landesvertretung im Januar 2007 und zu einem Foto, das ihn dabei mit einem Teesieb als Brille zeigt.)

"Ich weiß nur, dass ich mich in der Öffentlichkeit und privat benehmen kann."

(Am 18. Dezember 2007 in Stuttgart zum selben Thema.)

"Anders als in einigen Nachrufen zu lesen, gilt es festzuhalten: Hans Filbinger war kein Nationalsozialist. Im Gegenteil: Er war ein Gegner des NS-Regimes."

(Am 11. April 2007 im Freiburger Münster bei der Trauerfeier für den ehemaligen baden-württembergischen Ministerpräsidenten und früheren NS-Marinerichter Filbinger.)

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