Schallenberg: "Herrschaft des Rechts und nicht Gesetz des Dschungels"
Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) hat am Donnerstagabend (Ortszeit) vor der UNO-Vollversammlung dazu aufgerufen, die Vereinten Nationen "fit für das 21. Jahrhundert" zu machen. Das vergangene Jahr habe gezeigt, dass kein Nationalstaat die Herausforderungen von heute und morgen allein schultern könne, sagte Schallenberg in seiner Rede bei der UNO-Generaldebatte unter Verweis auf die Corona-Pandemie.
"Die Pandemie hat uns auch die einfache Wahrheit vor Augen geführt, wie sehr wir alle miteinander verbunden und voneinander abhängig sind", argumentierte Schallenberg laut Redetext. "Wir alle haben auf die harte Tour gelernt, dass wir eine Herausforderung wie die Pandemie nicht allein bewältigen können. Obwohl sie uns zur sozialen Distanzierung zwingt, hat sie uns als Menschheitsfamilie näher zusammengebracht."
"Nichts ist selbstverständlich"
Schallenberg brach daher eine Lanze für internationale Zusammenarbeit: "Wir brauchen Nachbarn, wir brauchen Partner, wir brauchen starke multilaterale Institutionen." Das vergangene Jahr habe gelehrt, "dass wir nichts für selbstverständlich halten können", so der Außenminister. "Weder unsere demokratischen Institutionen, noch unsere Freiheiten oder unsere pluralistischen und offenen Gesellschaften. Sie können bei großen Krisen wie der Pandemie schnell unter Druck geraten."
Österreich unterstütze daher nachdrücklich die Vision von Generalsekretär António Guterres "für eine UNO 2.0", betonte Schallenberg. "Es ist mehr als deutlich geworden, dass ein multilaterales System, das im 20. Jahrhundert konzipiert wurde, "fit für das 21. Jahrhundert" gemacht werden müsse. "Lassen wir uns nicht von bürokratischer Trägheit einlullen. Seien wir mutig und kühn!", gab sich Schallenberg geradezu avantgardistisch.
Österreich kenne als mittelgroßes Land "den Wert einer starken UNO", betonte der Außenminister. "Wir wissen, dass unsere Sicherheit von der Herrschaft des Rechts und nicht vom Gesetz des Dschungels abhängt. Die Rechtsstaatlichkeit wird im Mittelpunkt unserer Bemühungen stehen, wenn wir erfolgreich in den Sicherheitsrat für die Amtszeit 2027-28 gewählt werden."
Trotz vielfältiger Herausforderungen "sollten wir nicht in Defätismus verfallen", mahnte Schallenberg und erinnerte an einen Ausspruch des legendären britischen Premiers Winston Churchill: "Alle großen Dinge sind einfach, und viele können in einem einzigen Wort ausgedrückt werden." Die aktuellen Schlagworte müssten daher wie folgt lauten: "Toleranz, Vertrauen, Solidarität, Wahrheit, Gerechtigkeit, Mitgefühl, Demut und Hoffnung."
"Wie eine Explosion"
Im Gegensatz zur Pandemie, "die wie eine Explosion in unser Leben eingebrochen ist", sei der Klimawandel "ein langsam brennendes, schwelendes Feuer, das sich an uns heranschleicht", formulierte der Außenminister beinahe poetisch und legte ein Commitment ab: "Österreich wird auch weiterhin eine Vorreiterrolle spielen, wenn es um ehrgeizige und mutige grüne Erholung und Klimamaßnahmen geht."
Bezüglich der Entwicklungen in Afghanistan wiederholte Schallenberg Österreichs Position, dass die Bevölkerung nicht im Stich gelassen werden dürfe und vordringlich auf Hilfe vor Ort gesetzt werden müsse.
Zu weiteren Krisenherden wie Belarus, Jemen, Syrien, Myanmar oder beispielsweise Nicaragua, fasste Schallenberg Österreichs Haltung wie folgt zusammen: "Wir müssen klare rote Linien definieren, die wir als Menschheit nicht zu überschreiten bereit sind."
Letztlich gelte für ihn folgendes Prinzip, schloss Schallenberg: "Ich möchte in einer Welt leben und ich möchte, dass meine Kinder und deren Kinder in einer Welt aufwachsen, in der die Meinungsfreiheit, die Religions- und Weltanschauungsfreiheit, die Vereinigungsfreiheit und die Freiheit, sich friedlich zu versammeln, sowie die Rechte von Minderheiten nicht nur ein hehres Ziel sind, sondern tagtägliche Realität."
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