Von Sabotage bis Fake News
Die Bandbreite reiche „von Luftraumverletzungen, Sabotage, Spionage, der Störung von Satelliten bis zu Falschinformationskampagnen und der Unterstützung extremistischer Gruppen“, erklärt der Sicherheitsexperte Teemu Tammikko dem KURIER.
Der Finne forscht seit Jahren zu hybrider Kriegsführung und Terrorismus und veröffentlichte im Februar ein Forschungspapier zu den Sabotageakten an Unterwasser-Infrastruktur in der Nord- und Ostsee.
Die Stör- und Sabotageaktionen werden gezielt so durchgeführt, dass sie nicht die Eigenschaften eines militärischen Angriffs erfüllen – im Falle der Pipeline-Angriffe etwa, indem zivile Schiffe mit internationaler Besatzung unter der Flagge eines Drittstaates unterwegs sind, dann mit ihrem Anker einen „Unfall“ provozieren. Das macht ihre Bekämpfung so schwer.
Nord-Stream-Sprengung führte zur Gründung einer EU-NATO-Task Force
Spätestens die Sprengung der Nord-Stream-Gaspipelines im Herbst 2022 führte zu einer engeren Zusammenarbeit zwischen EU und NATO, die im Jänner 2023 in der Gründung der „EU-NATO Task Force zur Resilienz kritischer Infrastruktur“ mündete.
Sie stellte im Grunde sicher, dass die Mitgliedsstaaten ihre Energie- und Datenversorgung so aufstellen, dass im Notfall Nachbarstaaten einander aushelfen können – so könne ein einzelner Angriff auf eine Pipeline oder ein Datenkabel heute nicht zum Zusammenbruch der Versorgung führen.
Tammikko nennt diese Strategie „Abschreckung durch Verweigerung“: Wenn Angreifer bemerken, dass ihre Sabotageakte kaum Auswirkungen auf die betroffenen Staaten haben, würden sie damit aufhören, so die Idee.
Doch der Plan ging nicht auf, im Gegenteil: Obwohl Sabotageakte ohne großflächige Auswirkungen blieben, nahmen sie vor Europas Küsten stetig zu. Im November 2023 zerstörte ein Schiff mit seinem Anker die Gaspipeline "Balticconnector", im vergangenen November, Dezember und Jänner folgte je ein Angriff auf ein Unterseekabel in der Ostsee.
Kriegsende in der Ukraine könnte die Lage verschlimmern
Der finnische Geheimdienst Supo warnt in seinem Anfang März veröffentlichten Jahresbericht, dass die Angriffe als staatliche „Testversuche“ anzusehen seien. „Ein mögliches Kriegsende in der Ukraine“, heißt es darin, „würde für Russland Ressourcen frei machen, um seine hybride Kriegsführung in Europa massiv auszuweiten“.
Ziel des „hybriden Krieges“ ist es laut Tammikko, „unsere Lebensweise zu schädigen, unsere Souveränität zu untergraben und durch jede erdenkliche Methode Polarisierung und Misstrauen gegenüber Behörden zu erzeugen.“
Sabotage als Terror-Akt
Tammikko argumentiert deshalb, dass EU und NATO künftig auf „Abschreckung durch Bestrafung“ setzen müssten, um der Sabotage ernsthaft ein Ende zu setzen: „Im Fall der Sabotageakte in der Ostsee muss es rechtliche Konsequenzen für Kapitäne, Besatzungen oder sogar Reedereien geben.“
Das gelang zuletzt besser: Die Schiffe „Eagle S“ und die „Vezhen“, die je im Dezember und Jänner Unterseekabel in durchtrennten, konnten schon Stunden später von den zuständigen Küstenwachen gestellt werden. Seit Beginn des Jahres patrouillieren zudem NATO-Kriegsschiffe zur Abschreckung in der Nord- und Ostsee – auch wenn sie nur im Falle eines kriegerischen Angriffs eingreifen dürften.
Tammikko schlägt deshalb vor, Sabotageakte gesetzlich als terroristische Angriffe einstufen zu lassen. So hätten Polizei und Militär größere Befugnisse bei ihren Ermittlungen.
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