Russlands Aussicht auf eine eisfreie Arktis
Einen Anker werfen, das geht in arktischen Gewässern nicht. Dafür sind sie zu tief.
Doch Kapitän Dmitry Lobusov hat genug Erfahrung im ewigen Eis. Der 57-Jährige weiß genau, welche Eisbucht er ansteuern und dort das Schiff gefahrlos auflaufen lassen kann. Außerdem ist das Schiff, das er befehligt, so gut für Fahrten im Eis der Arktis ausgestattet wie kaum ein anderes. Die "50 Jahre Sieg" – eine Erinnerung an Russlands Großen Vaterländischen Krieg, also den Zweiten Weltkrieg – ist der größte und modernste nuklearbetriebene Eisbrecher des Landes.
Video: Die "50 Jahre Sieg" erreicht spielend den Nordpol
Vor wenigen Tagen erst hat die "50 Jahre Sieg" ihr Ziel erreicht, den Nordpol. Genauer gesagt ist es ein Punkt in unmittelbarer Nähe des Pols. Von dort aus marschierten die Gäste in etwa einer halben Stunde dorthin, wohin es früher nur wochenlange, risikoreiche Expeditionen schafften: Den nördlichsten Punkt der Erde. Neben den Gästen, die für den Trip von Russlands Eismeerhafen Murmansk umgerechnet 28.000 Euro bezahlt haben, war auch eine Gruppe russischer Studenten dabei. Sie hatten die Arktisfahrt bei einem Wettbewerb gewonnen.
Russlands Pol-Position
Abenteuerfahrten wie diese sind zunehmend häufiger möglich und einfacher als je zuvor. Der Klimawandel verändert die Arktis, und er zeigt sich dort so deutlich wie an kaum einem anderen Ort. Die Temperatur steigt schneller, das Eis schmilzt immer weiter. Dadurch weckt die Region aber auch ganz andere Interessen. Das Eis wird dünner, und die politischen Spannungen nehmen zu. Es geht um wertvolle Rohstoffe, um Gas, Öl und seltene Erden. Und es geht um freigeschmolzene Handelsrouten.
Russland ist fest entschlossen, seine politische, militärische und wirtschaftliche Vormachtstellung in der Arktis zu behaupten und weiter auszubauen. Und es hat vor wenigen Wochen für die nächsten zwei Jahre den Vorsitz des Arktischen Rates übernommen. Die russische Regierung erläuterte, man werde, wie es Präsident Wladimir Putin angeordnet habe, die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten entwickeln, etwa zum Schutz der Umwelt und zur wirtschaftlichen Entwicklung.
Russland also zeigt zunehmend Präsenz in der Arktis. Nicht nur in Washington, auch in anderen Arktis-Anrainerstaaten wie Dänemark oder Norwegen verfolgt man diese Entwicklung genau. Satellitenbilder zeigen, wie Russland Militärbasen an seiner Grenze zur Arktis aufbaut. Völkerrechtlich ist das unumstritten.
"Der löffelförmige Bug lässt das Schiff viel weniger oft im Eis stecken bleiben"
Doch ist die amerikanische Seite besorgt, dass der Kreml die Basen nutzen könnte, um jenseits seiner Grenzen aktiv zu werden und Kontrolle über Teile der Arktis zu gewinnen, die aufgrund des Klimawandels schon bald eisfrei sein könnten.
Eine neue Schiffsroute
Das Ziel Moskaus ist eine Schiffsroute zwischen Alaska und Norwegen entlang der russischen Nordgrenze. Die will man in Zukunft kontrollieren – auch weil sich damit ungeahnte ökonomische Möglichkeiten auftun. Eine Schiffsroute, die Europa und Asien in der Hälfte der Zeit verbinden könnte, die Schiffe auf der Route durch den Suezkanalroute brauchen.
Der Klimawandel legt die russische Nordgrenze frei, die bisher von Eis bedeckt war. Inzwischen ist die Strecke schon einige Monate im Jahr eisfrei. Der Ausbau dieser sogenannten Nordostpassage mit neuen Häfen, Schiffen und Bahntrassen bis 2035 ist eine Moskauer Priorität. Und nicht nur Russland hat diese Route ins Auge gefasst.
China ist zwar kein Arktis-Anrainer. Interesse hat die neue Passage trotzdem auch in Peking geweckt. Auf die Suche nach Uran und anderen wertvollen Rohstoffen hat man sich bereits gemacht, etwa auf Grönland, wo die Pläne der Chinesen heftige politische Debatten provozieren. Die neue Nordostpassage könnte nur auch für China interessant werden – quasi als eine polare Seidenstraße.
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