Russland-Engagement des deutschen Altkanzlers in der Kritik

Gerhard Schröder (SPD), Leiter Verwaltungsrat Nord Stream 2
In Deutschland wächst der Druck auf Gerhard Schröder. Auch österreichische Ex-Politiker sind in Russlands Wirtschaft aktiv.

Das Russlandengagement des deutschen Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) steht erneut in der Kritik. Jüngster Auslöser ist die Frage nach politischen Konsequenzen nach dem Giftanschlag auf den russischen Oppositionellen Alexej Nawalny. Laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey sind 53,4 Prozent der Deutschen dafür, dass Schröder seinen Gazprom-Posten aufgeben sollte.

Vier von zehn Befragten (41 Prozent) sind laut Civey gar der Ansicht, dass Schröder "auf jeden Fall" von seinen Posten zurücktreten sollte. Unter Grünen-Anhängern sehen das 69,8 Prozent so, unter Unionswählern sind es 60,2 Prozent. Selbst unter SPD-Anhängern befürworten 51,5 Prozent der Befragten einen Rücktritt des Altkanzlers von seiner Tätigkeit für das russische Staatsunternehmen.

Nord Stream 2 Pipeline

Schröder ist Präsident des Verwaltungsrates der Nord Stream 2 AG, bei der der russische Konzern Gazprom formal einziger Anteilseigner ist. Kritiker werfen Deutschlands Altkanzler vor, in seiner Position Lobbyarbeit für den Kreml zu betreiben. Nach der Vergiftung Nawalnys waren Rufe laut geworden, als Reaktion den Bau der Gasleitung von Russland nach Deutschland zu stoppen.

Die deutsche Bundesregierung betrachtet es nach Untersuchungen eines Speziallabors der Bundeswehr als zweifelsfrei belegt, dass der Oppositionelle mit dem militärischen Nervengift Nowitschok vergiftet wurde. Nawalny war am 20. August auf einem Flug in Russland plötzlich ins Koma gefallen und wird derzeit in Deutschland behandelt. Seine Anhänger vermuten Russland hinter dem Nervengiftanschlag. Moskau bestreitet indes eine Verwicklung in den Fall.

Österreichische Ex-Politiker

Auch österreichische Politiker waren zuletzt in Russlands Wirtschaft aktiv. So bestätigte etwa Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) im Mai 2019 einen Job im Aufsichtsrat des russischen Mineralölkonzerns Lukoil. Der mittlerweile 75-Jährige war von Februar 2000 bis Jänner 2007 Bundeskanzler und führte dabei jeweils rechtskonservative Kabinette an. Ex-ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling wiederum gab im März 2018 eine Beratertätigkeit für die Gazprom rund um das umstrittene Pipelineprojekt Nord Stream 2 an.

Der frühere österreichische Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) wurde im Sommer des Vorjahrs bei der russischen Staatsbahn RZD in den Aufsichtsrat berufen. Der 54-jährige Manager, der in der Vergangenheit auch Chef der ÖBB war, werde in Russland als Gegner der EU-Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts geschätzt, hieß es damals. Der frühere SPÖ-Vorsitzende war von Mai 2016 bis Dezember 2017 Chef einer SPÖ-ÖVP-Bundesregierung.

Beim Petersburger Wirtschaftsforum ließ Kern 2017, damals noch Bundeskanzler der Alpenrepublik, Kritik an den EU-Sanktionen gegen Russland durchklingen. Während seiner Kanzlerschaft wurde zudem die Einrichtung des Sotschi-Dialogs in die Wege geleitet. Das österreichisch-russische Forum in der Schwarzmeerstadt Sotschi sollte zur Stärkung der bilateralen Beziehungen und dem zivilgesellschaftlichen Austausch zwischen den beiden Ländern beitragen. Offiziell gestartet wurde der Sotschi-Dialog im Mai 2019.

Schallenberg zurückhaltend

Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) äußerte sich am gestrigen Freitag zurückhaltend in Bezug auf die derzeitigen Diskussionen in Deutschland und im EU-Parlament über eine mögliche Einstellung des Gaspipeline-Projekts Nord Stream 2 in Zusammenhang mit der Vergiftung Nawalnys.

Er verstehe die Diskussion, meinte Schallenberg am Freitag im Ö1-Mittagsjournal. "Ich weiß aber nicht, ob das ein geeignetes Mittel ist", fügte er hinzu. Die Diskussion müsse aber geführt werden. Er begrüßte aber, dass auf EU-Ebene eine "klare Linie" und eine "starke gemeinsame Sprache" gegenüber Russland gefunden wurde.

Auch Sanktionen gegen die Verantwortlichen seien nicht auszuschließen, erklärte Schallenberg. Österreich werde diese Linie voll mittragen. Der russische Botschafter sei in diesem Zusammenhang ins Außenministerium bestellt worden. Der ÖVP-Außenminister betonte ferner, dass eine Aufklärung des Falles Nawalny auch im Interesse Russlands sei. Russland brauche die EU als Partner und müsse Interesse haben, das "schreckliche Bild zu korrigieren", das das Land derzeit abgebe.

Die in der Schweiz ansässige Projektgesellschaft Nord Stream 2 gehört dem russischen Staatskonzern Gazprom, an der Finanzierung der Röhre beteiligen sich fünf westliche Konzerne, darunter die OMV. Eine Reihe von deutschen Politikern fordern nun ein Aus für Nord Stream 2, sollte Russland bei der Aufklärung des Nawalny-Falles nicht kooperieren.

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