Sabotage, Umweltterror, Mordkomplotte: Russlands "Schattenkrieg" in Europa
Geheimdienste haben offenbar ein Attentat auf Rheinmetall-Chef Papperger vereitelt. Er ist nicht der einzige, den Moskau im Visier hatte – das ist Teil eines größeren Systems.
Bis 2022 war Armin Papperger kein Mann, der gern in der Öffentlichkeit stand. Sein Konzern Rheinmetall, Deutschlands größter Waffenproduzent, hatte da mit seinem Negativimage zu kämpfen, die Kriegswaffenproduktion war ein nicht gerade verdienstvolles Geschäft.
Dann ließ Putin seine Panzer rollen. Die Firma, 4,55 Milliarden Dollar Jahresumsatz, ist seither einer der größten Unterstützer der Ukraine. Erst kürzlich eröffnete Papperger in der Westukraine selbst eine Reparaturstätte für deutsche Marder-Panzer, in Schutzweste. Da dürfte er bereits von den Anschlagsplänen auf sich gewusst haben.
Kultstatus
Der 61-jährige Manager war, so sagen es US- und deutsche Geheimdienste, offenbar Ziel eines Attentatsplans, geschmiedet von Russland. „Proxies“, von Moskau speziell für einen Auftrag angeheuerte Agenten, sollten die Tat durchführen, und auf der Liste sei nicht nur er gestanden, sondern auch andere hochrangige Manager.
Was steckt da dahinter?
Auch wenn der Kreml alles dementiert: Dass Moskau Rheinmetall ins Visier nimmt, wäre nicht verwunderlich. Die Firma hat in der Ukraine mittlerweile Kultstatus, Rheinmetall ist der größte Munitionslieferant überhaupt – ihre Artillerie wird als kriegsentscheidend angesehen. Zudem ist das Unternehmen eine der wenigen Westfirmen, die versuchen, das Land direkt vor Ort zu unterstützen. Derzeit wird ein riesiges Panzerwerk gebaut, trotz der Gefahr, dass es zerbombt wird. Damit soll der Ukraine Unabhängigkeit von westlichem Wohlwollen verschafft werden.
Die Firma selbst profitiert davon in ungeheurem Ausmaß. Sie schaffte erst vor Kurzem in die oberste Aktienliga DAX, und seit Kriegsbeginn hat sich ihr Kurs mehr als verfünffacht. Dass Russland das mit Argusaugen beobachtet, ist nur logisch, zumal sich Papperger mittlerweile auch gern in den Medien zeigt. Die Anschlagspläne passen aber auch in ein größeres System: Sie sind Teil des hybriden Kriegs, den Moskau schon seit Längerem gegen Europa und die USA führt.
Seltsame Vorfälle häufen sich
Beispiele dafür gibt es zuhauf. Vor allem Sabotageakte mehren sich: In Lagerhäusern in den USA und Großbritannien, in denen für die Ukraine bestimmte Waffen lagerten, brachen auf ominöse Weise Brände aus; zudem wurden Überwachungskameras an Orten entdeckt, an denen die NATO gerade ukrainische Truppen ausbildet. Im April wurden zwei Deutschrussen festgenommen, die Bomben auf US-Militäreinrichtungen in Deutschland werfen wollten – und im Mai brannte es dann bei der Firma Diehl in Berlin. Dort wird das Luftverteidigungssystem „Iris-T SLM“ produziert, auch ein kriegsentscheidendes System.
In Schweden, dem jüngsten Mitglied der NATO, entgleisten im Winter gleich zweimal Züge der Malmbanan, einer der wichtigsten Verbindungen des Landes. Nach einem Unfall sah das nicht aus: Auf ihr könnten Waffen und Truppen von Norwegen weiter nach Schweden und Finnland transportiert werden.
Und in Estland, wo russische Agenten auch das Auto des Innenministers attackierten, mussten gleich mehrfach Flugzeuge umkehren. Unbekannte hatten das GPS-Signal gestört, der Ursprung der Störquelle - St. Petersburg.
Russlands giftige Schattenflotte
Nicht bei allen Vorfällen ist klar, dass es absichtliche Attacken waren; die Störsender etwa könnten auch auf ukrainische Drohnen abzielen, die mittlerweile bis in den hohen Norden Russlands fliegen können.
Bei anderen Beobachtungen sind sich Ermittler aber sicher, dass Russland dahintersteckt – und was es damit bezweckt.
Die rostige „Schattenflotte“ etwa, die an den Küsten der Nato-Länder durch die Ostsee fahren, gehört zu letzterer Kategorie. Russland nutzt die Tanker, um die Sanktionen zu umgehen; die Schiffe fahren unter der Flagge von Swasiland oder Gabun, haben keine Versicherung, und ihr Öl wird auf hoher See einfach auf andere Schiffe verladen. Damit drohen massive Umweltkatastrophen – ganz bewusst, wie Elisabeth Braw, Politologin beim Atlantic Council schreibt. Betroffene Staaten können die Verursacher dank fehlender Versicherung und ominöser Eigentumsverhältnisse nicht belangen.
1400 solcher Tanker soll Russland unter Vertrag haben, seit Kurzem werden sie vermehrt vor der schwedischen Küste beobachtet. Was Braw noch irritiert: Sie alle fahren ohne Transpondersignal - und sind mit Geräten bestückt, die „von normalen Handelsschiffen in keiner Weise benötigt werden“, wie Braw schreibt. Ein Verdacht liegt damit nahe: „Die russische Schattenflotte scheint gleichzeitig eine Spionageflotte zu sein.“
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