Attentat auf General in Moskau: Was hinter der blutigen Botschaft an Putin steckt
Kiews Geheimdienst hat einen der ranghöchsten Militärs Russlands ermordet – per Sprengsatz an einem Scooter, mitten in Moskau. Die Ukraine sorgt damit für Schockwellen im engsten Kreml-Zirkel.
Bis vor Kurzem war Kiew noch subtiler. Drohnenangriffe auf Moskau, Sabotageakte im russischen Grenzgebiet, Attentate auf Militärs – hinter all dem vermutete man seit Kriegsbeginn immer den ukrainischen Geheimdienst SBU. Zugegeben hat der das aber so gut wie nie.
Das ist diesmal anders. Jetzt hat der SBU nicht nur eingeräumt, einen von Putins höchsten Militärs liquidiert zu haben, er hat es sogar stolz berichtet. Dass Igor Kirillow, Generalleutnant der Streitkräfte zur Abwehr von radioaktiven, biologischen und chemischen Kampfstoffen, am Dienstag vor seinem Moskauer Wohnhaus in die Luft flog, erklärte der SBU sogar für „legitim“.
„Kirillow ist ein Kriegsverbrecher. Er hat den Befehl zum Einsatz verbotener chemischer Waffen gegen das ukrainische Militär gegeben. Ein solch unrühmliches Ende erwartet alle, die Ukrainer töten. Vergeltung für Kriegsverbrechen ist unvermeidlich“, ließ der Geheimdienst wissen.
Kirillow ist bisher das prominenteste Opfer in einer langen Liste an Attentaten des SBU. Den stärksten Nachhall hatten bisher der Anschlag auf Darja Dugina, die Tochter des neofaschistischen Kreml-Ideologen Aleksandr Dugin, und das Attentat auf Militärblogger Wladlen Tatarskij in St. Petersburg. Beide wurden durch Bomben getötet, Dugina in ihrem Auto, Tatarskij während einer Pressekonferenz.
Kirillow starb nun, als er gemeinsam mit seinem Assistenten sein Wohnhaus verließ, etwa sieben Kilometer vom Kreml entfernt. Als die beiden auf den Gehsteig angelangt waren, explodierte ein an einem Scooter montierter Sprengsatz; wohl gezündet per Mobiltelefon.
Der Kreml stuft das als Terroranschlag ein. In Kiew beobachtet man mit Genugtuung, denn die dortigen Behörden hatten den 54-Jährigen nur einen Tag vor dem Attentat in die Liste der Kriegsverbrecher aufgenommen – nicht aus Zufall, sondern aus Kalkül.
An der Front sieht es für die Ukraine so schlecht aus wie seit Kriegsbeginn nicht mehr (siehe unten), der globale Blick richtet sich derzeit nur mehr auf Trumps Wunsch nach Verhandlungen. In dieser Gemengelage hat Kiew mit dem Attentat zumindest für kurze Zeit den Informationsraum für sich reklamiert – mit Erfolg. Denn dass vor allem in Russland über das Attentat berichtet wurde, ist in Putins Propagandawelt nicht unbedingt erwartbar.
Die Invasion in Kursk, die vielen Sabotageakte auf russische Militäreinrichtungen oder die Drohnenangriffe auf Luxusvillen nahe Moskau wurden in den Medien nämlich deutlich unaufgeregter verhandelt als das jetzige Attentat.
Das liegt daran, dass der Kreml alles daran setzte, die bisherigen Vorfälle kleinzureden. Bei Kirillow ist das deutlich schwieriger: Er war kein gesichtsloser Militär, sondern einer von Putins prominenteste Pro-Kriegs-Propagandisten. Immer wieder behauptete er, die USA betrieben in der Ukraine geheime Biowaffenlabore; zuletzt sagte er, Kiew arbeite an einer schmutzigen Bombe, einem Sprengsatz gefüllt mit Nuklearmaterial. Besonders weit über die Grenzen schaffte es ein Auftritt, wo er über „Kampfmoskitos“ sprach, die die USA entwickelt haben sollen. Die hätten seiner Ansicht nach den riesigen Kachowka-Staudamm in der Ukraine gesprengt.
Dass Kirillow, vom Staat mehrfach mit Orden ausgezeichnet, auch für den Einsatz von chemischen Waffen in der Ukraine verantwortlich war, ist in den russischen Medien kein Thema. Er hat wohl Dutzende Male den Einsatz von Giftstoffen angeordnet, wie die Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) und das US-Außenministerium bestätigen; Kiew spricht von mindestens 2000 Geschädigten. Unter anderem soll der verbotene Stoff Chlorpikrin mittels Drohnen über die Schützengräben gesprüht worden sein, der zum Tod durch Ersticken führt.
Der Kreml selbst hat das Attentat bisher nicht kommentiert, das ist in solchen Fällen auch nicht üblich. Großes Thema ist es aber jedenfalls, wie ein hoher russischer Beamter dem Guardian anonym bestätigte: „Die Ermordung eines Generalleutnants ist für viele ein Schock.“ Viele Funktionäre müssten jetzt mit spezieller Bewachung rechnen, wohl auch rund um die Uhr, sagt er. „Das wird definitiv für Aufregung sorgen.“
Kommentare