Putins Elite in Angst: Drohnenangriffe auf die Villen der Reichen

Putins Elite in Angst: Drohnenangriffe auf die Villen der Reichen
Die jüngsten Attacken zielten auf die Wohnorte des Geldadels bei Moskau: Putins und Schoigus Residenzen waren nicht weit, auch Putin selbst war dort. Der Kreml ignoriert die Anschläge dennoch. Warum?

"Gott, was für ein Horror!“, sagt Anastasija Wolotschkowa, die Handykamera schwenkt durch das luxuriöse Wohnzimmer. Vor zwei Stunden sei sie „wegen dieser schrecklichen Explosionen aufgewacht“, sagt die prominente Ballerina in ihrer Instagram-Story, Tausende Follower bangen mit ihr. Gott sei Dank, sagt sie dann, sei neben ihrem Anwesen eine Militäreinheit stationiert.

Wolotschkowa, einst Mitglied von Putins Partei „Einiges Russland“ und Dauergast in den Gazetten des Landes, war nicht die einzige, die am Dienstag von Detonationen wachgerüttelt wurde. Zumindest fünf Drohnen wurden dort abgeschossen, wo die Tänzerin ihre Villa hat: entlang der „Rubljowka“ im Westen der Hauptstadt – also jener Straße, wo von Wladimir Putin abwärts das Who is Who Russlands wohnt.

Die Systemrelevanten

Zufall war das keiner, sind sich Beobachter sicher. Denn wer auch immer hinter den Attacken auf die reichen Vororte und drei Wohnhäuser im Süden steckt – Kiew dementiert jegliche Beteiligung, auch von den russischen Saboteursgruppen hat niemand die Anschläge für sich reklamiert –, die Absicht dahinter ist klar: Der Krieg soll nicht nur in die russische Gesellschaft getragen werden, sondern auch zu Putin und seinen Günstlingen. Jenen Menschen, deren Angst systemrelevant sein könnte.

Putins Elite in Angst: Drohnenangriffe auf die Villen der Reichen

Bilder von Putins abgeschirmtem Anwesen in Nowo-Ogarjowo gibt es kaum. Bei der Drohnenattacke dürfte die Villa  Ziel gewesen sein 

Der Präsident selbst, sagen Insider zur kremlkritischen Moscow Times, sei zu dem Zeitpunkt tatsächlich in seinem feudalen Anwesen im Örtchen Nowo-Ogarjowo gewesen. Er sei am frühen Morgen von seinen Sicherheitsleuten wegen einer „Bedrohung aus der Luft“ geweckt worden, heißt es; die Drohne wurde etwa zehn Kilometer von einem extra für diese Fälle installierten Flugabwehrsystem aus der Luft geholt. Noch näher sind die Angreifer Putins Verteidigungsminister gekommen: Eine Drohne ging nämlich im kleinen Ort Barwicha nieder, wo das 18-Millionen-Euro-Anwesen von Sergej Schoigu liegt. Eine weitere landete abgeschossen im Greenfield-Komplex, einem streng bewachten Luxusareal, in dem Gazprom-Chef und Putin-Intimus Aleksej Miller wohnt; unweit davon haben Putins Kindheitsfreunde, die Milliardäre Boris und Arkadij Rotenberg, ihre Domizile.

Putins Elite in Angst: Drohnenangriffe auf die Villen der Reichen

Apathische Führung

In den kontrollierten russischen Medien war von all dem wenig zu lesen, auch Putin kommentierte die Attacken nur knapp: Geschehen sei ja eigentlich nichts, hieß es lapidar. Das ist durchaus irritierend: Mit den Angriffen auf die reichen Moskauer Vorstädte sei nämlich „ein völlig neues Level von Gefahr“ in Russland erreicht worden, so Kreml-Expertin Tatjana Stanowaja. Eine manifeste physische Bedrohung der Bevölkerung, das hat es in einem Jahr Krieg noch nicht gegeben. Ungewöhnlich für das zensurfreudige Russland war dabei auch, dass sich in den sozialen Medien die Beschwerden von Bürgern häuften. „Wie konnten die Drohnen uns erreichen? Arbeitet hier überhaupt jemand?“, hieß es etwa auf der völlig überladenen Social-Media-Seite des Gouverneurs von Moskau-Umgebung.

Dass Putin und seine Getreuen dennoch „apathisch“ reagieren, wie Stanowaja es nennt, habe mit sturer Obrigkeitshörigkeit zu tun. Wie schon zu Kriegsbeginn traue sich kaum jemand, Putin die reale Gefahrenlage zu melden – aus Angst, dann dafür als Sündenbock herhalten zu müssen.

Für die Ultranationalisten wie Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin ist dieses Scheuklappen-System genau das Problem. Er wünschte in einer Video-Schimpftirade den Eliten der „Rubljowka“, die er schlicht „Abschaum“ nennt, nur eines: „Sollen eure Häuser doch brennen.“ Auch Stanowaja meint, dass die Kopf-in-den-Sand-Taktik Putin nicht helfen wird. „Die Menschen wollen starke Führung sehen. Jetzt sieht die aber zunehmend hilflos und konfus aus.“

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