Wie es nach dem Fall Bachmuts weitergeht

Über eine zerstörte Stadt steigt Rauch auf, während die Sonne aufgeht.
Monatlich verliert die Ukraine laut einer britischen Studie etwa 10.000 Aufklärungsdrohnen.

Selbst wenn nach wie vor ukrainische Einheiten am Stadtrand Bachmuts Widerstand leisten würden – die Stadt, beziehungsweise was davon übriggeblieben ist, war bereits in den vergangenen Wochen zu gut neunzig Prozent in russischer Hand. Videos ukrainischer wie russischer Quellen zeigen den Rückzug ukrainischer Truppen aus den letzten Bastionen in Richtung der westlich gelegenen ukrainischen Verteidigungsstellungen auf den Höhen vier bis fünf Kilometer entfernt.

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In den vergangenen Monaten haben sich die Ukrainer dort stark eingegraben, Stellungen errichtet und werden somit einen weiteren russischen Vormarsch massiv erschweren. In den vergangenen zehn Monaten konzentrierten sich die russischen Streitkräfte beinahe nur auf die Eroberung Bachmuts, verloren – ebenso wie die Ukrainer – Zehntausende Kämpfer. An anderen Abschnitten der mehr als 1.000 Kilometer langen Front hielten sich die Vorstöße entweder in Grenzen oder gerieten zu totalen Desastern wie etwa ein Panzervorstoß auf die Stadt Wuhledar.

Das bedeutet allerdings nicht, dass die russischen Streitkräfte nicht aus Fehlern der Vergangenheit gelernt hätten:

Entlang der Front haben sie starke Verteidigungsstellungen errichtet, die Effektivität ihrer Luftabwehr erheblich gesteigert und schaffen es mittlerweile, HIMARS-Raketen abzufangen. Diese waren für einige Monate eine echte Bedrohung für Versorgung und Munitionsdepots – und sind es zum Teil immer noch. Monatlich verliert die Ukraine laut einer britischen Studie etwa 10.000 Aufklärungsdrohnen. Zudem sei Russland offenbar in der Lage, Funksprüche ukrainischer Einheiten in Echtzeit abzufangen und zu entschlüsseln.

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Der Abnützungskrieg geht weiter

Somit zwingt Moskau Kiew nach wie vor einen Abnützungskrieg auf – zumindest, bis die angekündigte Gegenoffensive kommt.  Manche Beobachter sehen in Vorstößen ukrainischer Truppen im Norden und Süden Bachmuts den Beginn des lange erwarteten Gegenstoßes. Die Stadt sei „teilweise umzingelt“.

Sowohl im Süd- als auch Nordwesten konnten die ukrainischen Streitkräfte Gelände in Besitz nehmen, russische Verbände in die Flucht schlagen. Allerdings gelang es den ukrainischen Streitkräften bisher nicht, den russischen Flankenschutz vollends zu durchbrechen.

Um die russischen Kämpfer in Bachmut tatsächlich einzukesseln, müssten die Ukrainer im Norden zumindest fünf und im Süden 18 Kilometer vorstoßen, um die Stadt umfassen zu können. Gelänge dies, würden de facto alle russischen militärischen Erfolge der vergangenen Monate zunichte gemacht. Es sieht allerdings nicht danach aus, dass dem so ist. Zusätzlich führen die russischen Streitkräfte weitere Einheiten an Bachmut heran.

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Viel dürfte davon abhängen, ob Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin tatsächlich am 25. Mai mit seinen Kämpfern abzieht. Sollte dem so sein, fehlt den russischen Truppen jener Teil, der die Gewinne in Bachmut größtenteils und unter massiven Verlusten ermöglicht hat.

An anderer Front sieht es weiter ganz so aus, als ob sich die ukrainischen Streitkräfte doch auf die Offensive vorbereiten: Im Süden trafen ukrainische Storm Shadow-Raketen Flugplätze in den russisch besetzten Städten Berdyansk und Mariupol. Wohl, um im Falle einer raschen F-16-Lieferung die Luftüberlegenheit zu erlangen. Gleichzeitig zerstörten russische Raketen am Sonntag ein weiteres ukrainisches Luftabwehrsystem.

Bis also tatsächlich eine ukrainische Gegenoffensive gegen stark befestigte russische Stellungen kommt, geht der Abnützungskrieg weiter. Ein Krieg, in dem Russland zahlenmäßig die besseren Karten hat. Dem Ziel, den Donbass zu erobern, ist der Kreml mit der Einnahme Bachmuts allerdings in den vergangenen Tagen nur wenige Häuserblocks nähergekommen.

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