Russland hat offenbar mehr Raketen stationiert als bekannt

9M729-Rakete
Laut Medienberichten erfasst die Reichweite der Marschflugkörper sogar Ziele in Mitteleuropa.

Russland hat seine umstrittenen Marschflugkörper vom Typ 9M729 einem Zeitungsbericht zufolge an mehr Standorten aufgestellt als bisher bekannt.

Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" ("FAS") berichtet unter Berufung auf einen ranghohen westlichen Geheimdienstbeamten, dass es neben einem Ausbildungsbataillon auf dem südrussischen Testgelände Kapustin Jar und einem Bataillon in Kamyschlow östlich von Jekaterinburg noch zwei weitere Stationierungsorte geben soll: das nordossetische Mosdok sowie Schuja nahe Moskau.

64 Marschflugkörper

Über den Standort in Schuja hatten die USA ihre NATO-Partner dem Bericht zufolge erstmals in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahres informiert. Jedes der vier Bataillone verfügt laut der "FAS" über vier Startfahrzeuge auf Rädern, die jeweils vier Raketen mit sich führen. Folglich besitze Russland mindestens 64 der neuen Marschflugkörper, die sowohl mit einem konventionellen als auch mit einem atomaren Sprengstoff bestückt werden können.

Ausstieg aus INF-Abrüstungsvertrag

Russland und die USA waren in der vergangenen Woche aus dem INF-Abrüstungsvertrag ausgestiegen. Das Abkommen verbietet landgestützte Raketen und Marschflugkörper mit einer Reichweite zwischen 500 und 5.500 Kilometern, die Atomsprengköpfe tragen können. Die USA und die NATO werfen Russland vor, mit seinem Marschflugkörper 9M729 gegen das Abkommen zu verstoßen. Moskau bestreitet dies.

Bedrohung für Europa?

Wie die "FAS" berichtete, beträgt die Reichweite des Marschflugkörpers mit Atomsprengkopf 2.350 Kilometer, mit einem konventionellen 500 Kilogramm schweren Sprengkopf sind es demnach 2.000 Kilometer. Nach Angaben aus Moskau hat der Marschflugkörper nur eine Reichweite von 480 Kilometern.

Bei der derzeitigen Aufstellung liegen dem Bericht zufolge das östliche und nördliche Europa sowie Mitteleuropa in Reichweite des Systems. Im Krisenfall könne das System jedoch rasch gen Westen verlegt werden und ganz Europa mit Ausnahme Portugals bedrohen, schrieb die "FAS" weiter.

Kommt ein neues Wettrüsten?

Der INF-Vertrag war 1987 vom damaligen US-Präsidenten Ronald Reagan und dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow unterzeichnet worden. Die USA und Russland werfen sich gegenseitig vor, den Abrüstungsvertrag aus den Zeiten des Kalten Krieges zu verletzen. Experten sehen in der Aufkündigung des Abkommens ein mögliches Startsignal für ein neues Wettrüsten.

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