Russland: Etliche "riskante militärische Vorfälle"

Laut einem Bericht gab es dieses Jahr schon rund 40 riskante Begebenheiten. Warnung vor neuem Kalten Krieg.

Mehrere militärische Begegnungen zwischen dem Westen und Russland in jüngster Zeit ließen die Weltlage nahe an das Level des Kalten Kriegs rutschen: Rund 40 gefährliche oder militärisch sensible Begebenheiten haben sich in den vergangenen acht Monaten zugetragen, wie ein am Montag veröffentlichter Bericht des sicherheitspolitischen Netzwerks "European Leadership Network" zeigt.

Der Bericht "Gefährliche Waghalsigkeit" listet die "höchst beunruhigenden" Vorfälle, die sich seit Beginn der Ukraine-Krise zugetragen haben, auf. Darunter ist auch eine alarmierende Beinahe-Kollision zwischen einem russischen Aufklärungsflieger und einer Passagiermaschine mit mehr als 100 Menschen an Bord im März diesen Jahres. Die russische Maschine hatte dem Bericht zufolge die Transponder ausgeschaltet, war also für andere Flieger quasi unsichtbar.

Andere hochriskante Vorfälle waren etwa: die Entführung eines estnischen Agenten durch Russland im September; simulierte Angriffe mit Marschflugkörpern russischer Bomber auf die USA und Kanada; eine US-Maschine drang in schwedischen Luftraum ein nach Verfolgung durch russische Jets.

Diese und andere Ereignisse summieren sich zu einem beunruhigenden Bild aus verletzten Lufträumen, Notfällen, gerade noch verhinderten Luftfahrtunfällen, und Ähnlichem – alles über einen großen Teil des Globus verteilt.

"Gefährliches Spiel"

"Wir glauben, diese beinahe 40 dokumentierten Begebenheiten sind eine sehr ernste Entwicklung. Nicht unbedingt weil sie Russlands Wunsch nach einem Krieg beinhalten, sondern weil sie ein gefährliches Spiel von waghalsiger Politik zeigen. Es hat das Potenzial zu einer ungeplanten Eskalation – in einer der derzeit ernsthaftesten Sicherheitskrise in Europa seit dem Kalten Krieg", zitiert der Guardian die Studienautoren Thomas Frear, Lukasz Kulesa und Ian Kearns. Man fordert die russische Führung auf, Kosten und Risken abzuwägen und appelliert an alle Seiten, sich zurückzuhalten und die Kommunikation zu verbessern.

Erst zwei Tage vor Veröffentlichung des brisanten Berichts hat der frühere Sowjet-Präsident Michail Gorbatschow vor einem neuen kalten Krieg gewarnt. Gorbatschow, eigentlich der derzeitigen Kreml-Führung gegenüber kritisch eingestellt, erhob auch schwere Vorwürfe gegen den Westen.

Die USA und die Europäische Union beunruhigen Berichte über neue Truppenbewegungen und Kämpfe in der Ostukraine. Die US-Regierung äußerte sich "sehr besorgt" über die jüngsten schweren Gefechte und Berichte über Truppenbewegungen in den ostukrainischen Separatistengebieten. Zugleich rief sie alle Seiten auf, sich strikt an die Waffenstillstandsvereinbarung von Minsk zu halten. "Jeder Versuch von Separatistenkräften, zusätzliches Territorium in der Ostukraine zu besetzen, wäre ein heftiger Verstoß (...) gegen das Minsker Abkommen", sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Bernadette Meehan, am Sonntag. Sie bekräftigte auch die Aufforderung an Russland, Zusagen von Minsk zu erfüllen, die militärische Versorgung der Rebellen einzustellen und alle Truppen aus der Ukraine abzuziehen.

Bilder aus Donezk:

Russland: Etliche "riskante militärische Vorfälle"

UKRAINE CRISIS
Russland: Etliche "riskante militärische Vorfälle"

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Russland: Etliche "riskante militärische Vorfälle"

UKRAINE CRISIS

Die neue EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini nannte die jüngsten Truppenbewegungen in den ukrainischen Separatistengebieten eine "sehr besorgniserregende Entwicklung". Neben Soldaten würden nach Angaben der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) auch in erheblichem Umfang schwere Waffen und Panzer in Richtung Westen verlagert, teilte die Italienerin am Sonntagabend mit. Es sei unbedingt notwendig, jede neue Eskalation zu vermeiden.

Von dem russischen Präsidenten Wladimir Putin verlangte Mogherini erneut, Verantwortung bei der Lösung des Konflikts zu übernehmen. Russland müsse verhindern, dass weitere Waffen und Kämpfer in die Ostukraine gelangten. Bereits dort operierende Truppen unter russischer Kontrolle müssten zurückgezogen werden.

Schwere Kämpfe ausgebrochen

In der Nacht auf Sonntag kam es in der Rebellenhochburg Donezk zu den heftigsten Gefechten seit der Einigung auf eine Waffenruhe Anfang September. In unmittelbarer Nähe zum Stadtzentrum war Artilleriefeuer zu hören. Die Kämpfe begannen gegen 2.00 Uhr nachts (Ortszeit) und dauerten zunächst unvermindert an. Am Sonntag in der Früh waren die Gefechte weniger intensiv. Prorussische Separatisten warfen den Regierungstruppen die gezielte Zerstörung von Wohnvierteln mit Brandbomben vor. Berichte von massiven Bewegungen russischer Truppen im Krisengebiet wies der Vizekommandant der Aufständischen, Eduard Bassurin, am Sonntag zurück. Bei dem von der OSZE beobachteten Konvoi handle es sich um eine notwendige Rotation der Aufständischen, sagte er in der Separatistenhochburg Donezk.

Das sehen die AFP-Reporter vor Ort anders. Am Montag berichteten sie erneut von einer Kolonne mit schwerem militärischem Gerät, die sich auf Donezk zubewegt. Es sollen mehr als ein Dutzend Lastwagen sein, mindestens sechs Panzer sowie Haubitzen. Die Lastwagen waren ohne Kennzeichen unterwegs.

Obama und Putin in Peking

Die Ukrainekrise mit bisher etwa 4.000 Toten überschattet auch den Asien-Pazifik-Gipfel (APEC) an diesem Montag und Dienstag in Peking. Mit Spannung wird erwartet, ob es am Rande zu einem Gespräch der beiden Präsidenten Barack Obama und Wladimir Putin kommt. Der russischen Agentur Tass zufolge wird es beim APEC-Gipfel in Peking auch einen "kurzen Kontakt" Putins mit dem australischen Regierungschef Tony Abbot geben, dem Gastgeber des G20-Gipfels am nächsten Wochenende. Wegen des wahrscheinlichen Abschusses der malaysischen Passagiermaschine MH17 im Juli ist das Verhältnis angespannt. Unter den 298 Toten waren 38 Australier. Die Ukraine und westliche Experten machen die von Russland unterstützten Separatisten für den Absturz der Boeing verantwortlich. Die Aufständischen weisen dies zurück.

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