Gorbatschow warnt vor "neuem Kalten Krieg"

"Manche sagen, der Kalte Krieg hat schon begonnen": Michail Gorbatschow in Berlin.
Der Westen brach die Versprechen von 1989, sagte der Ex-Sowjet-Führer anlässlich der Jubiläumsfeiern.

Bei den Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls in Berlin erhob der frühere sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow schwere Vorwürfe gegen den Westen. "Die Welt ist an der Schwelle zu einem neuen Kalten Krieg", sagte er mit Blick auf den Ukraine-Konflikt am Samstag. In den letzten Monaten habe sich ein "Zusammenbruch des Vertrauens" vollzogen.

"Die Ereignisse der vergangenen Monate sind die Konsequenzen aus einer kurzsichtigen Politik, aus dem Versuch, vollendete Tatsachen zu schaffen und die Interessen des Partners zu ignorieren", sagte der 83-Jährige. Er wirft dem Westen und insbesondere den USA vor, ihre Versprechen nach der Wende 1989 nicht gehalten zu haben. Stattdessen habe man sich zum Sieger im Kalten Krieg erklärt und Vorteile aus Russlands Schwäche gezogen.

Vertrauen untergraben

Bereits in den 1990er Jahren habe der Westen begonnen, im Verhältnis zu Russland das Vertrauen zu untergraben, das die friedliche Revolution in Deutschland und in Mittel-Osteuropa möglich gemacht habe. "Die NATO-Erweiterung, Jugoslawien und vor allem den Kosovo, Raketenabwehrpläne, Irak, Libyen, Syrien", nannte Gorbatschow als Beispiele. "Und wer leidet am meisten unter der Entwicklung? Es ist Europa, unser gemeinsames Haus." Er forderte auch eine schrittweise Aufhebung der gegenseitigen Sanktionen.

Gorbatschow, dessen Politik der Öffnung die Voraussetzungen für die Wiedervereinigung geschaffen hatte, sprach sich trotz der schweren Vertrauenskrise für eine Stabilisierung der deutsch-russischen Beziehungen aus. "Hier in Berlin, zum Jahrestag des Mauerfalls, muss ich feststellen, dass all dies auch negative Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland hat", sagte er. "Lasst uns daran erinnern, dass es ohne deutsch-russische Partnerschaft keine Sicherheit in Europa geben kann."

Der frühere Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher fordert angesichts der aktuellen Ost-West-Spannungen um die Ukraine einen „Neuanfang“ für Europa. Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls sagte Genscher der Deutschen Welle: „Es besteht eine große Sorge, weil ich nicht glaube, dass aus den Chancen, die das Jahr 1989 geboten hat, das gemacht wurde, was gemacht werden konnte.“

Genscher musste am Samstag aus gesundheitlichen Grünen die Teilnahme an einem Symposium mit dem früheren sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow in Berlin absagen. In dem Interview sagte er nach Angaben des Senders, das Bemühen um das „gemeinsame europäische Haus“, wie es Gorbatschow gefordert habe, brauche neue Energie.

So müsse der Nato-Russland-Rat wiederbelebt werden. „Diese große Errungenschaft“ sei gerade für Krisenzeiten geschaffen worden. „Jetzt haben wir die Krise, und der Rat tritt nicht zusammen. Ich denke, hier haben beide Seiten Anlass nachzudenken“, betonte der 87-Jährige, der als einer der Architekten der Wiedervereinigung gilt.

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