Es ist der allererste Deal, den die beiden Länder seit Beginn der russischen Invasion im Februar geschlossen haben. Das an sich ist eine gute Nachricht, da es eine Hungerkrise zu verhindern gilt – allein: Nicht nur in Kiew ist man skeptisch, ob der Deal hält. Auch internationale Beobachter fürchten, dass Russland mit gezinkten Karten spielt.
Putins Profit
Paktiert wurde, das in Istanbul ein von der UNO geführtes Kontrollzentrum etabliert werden soll, besetzt mit Vertretern Russlands, der Ukraine und der Türkei – deren Präsident Recep Tayyip Erdoğan war es auch, der den Deal eingefädelt hat. Dort sollen alle Schiffe vor ihrer Fahrt Richtung Ukraine durchsucht werden, um sicherzustellen, dass sie keine Waffen geladen haben – das forderte Kiew. Auslaufen werden die Schiffe von den Häfen Odessa, Tschernomorsk und Juschnij – also jenen, die noch unter ukrainischer Kontrolle sind –, und ukrainische Lotsenboote sollen sie durch eigens festgelegte Korridore begleiten. Militärische Eskorte wird es keine geben – rund um die drei Häfen wird damit de facto eine Waffenruhe vereinbart.
"Zeichen der Hoffnung"
Das ist wichtig, da die drei Häfen derzeit massiv vermint sind, und die Ukraine die Minen eigentlich nicht räumen will, um den Russen keinen Raum für Angriffe zu geben. Wenn dennoch Minen entschärft werden müssen, soll das ein – in der Vereinbarung nicht genanntes – unbeteiligtes Land übernehmen.
Auch die russische Seite hatte Bedingungen gestellt – und zwar soll es eine weitere Kontrolle in der Türkei am Bosporus geben, wenn die Schiffe aus der Ukraine kommend das Schwarze Meer verlassen. Auch damit solle sichergestellt werden, dass ausschließlich Getreide an Bord der Schiffe ist.
Starten will man mit den ersten Vorbereitungen für die Auslieferungen bereits am Samstag, gelten soll der Deal vorerst vier Monate lang.
Die Trumpfkarte
Alles gut also? Das ist leider fraglich. Auch wenn UN-Generalsekretär den Deal als „Zeichen der Hoffnung“ und „Abkommen für die Zukunft“ bezeichnete, bleiben viele Fragezeichen. Eigentlich hatte Wladimir Putin an den Deal nämlich an die Zusicherung geknüpft, dass die westlichen Sanktionen gegenüber Moskau teilweise aufgehoben werden; die Drohung einer Hungerkrise war eine seiner Trumpfkarten, um die westliche Unterstützung für die Ukraine zu unterminieren.
Das Dokument sieht aber keinerlei Lockerung der Sanktionen vor, das betont auch Kiew. Guterres erwähnte in seiner Rede zur Unterzeichnung des Deals allerdings, dass nun auch russische Düngemittel ungehindert exportiert werden können – das ist insofern ungewöhnlich, als dass dies auch bisher nicht verboten und ursächlich nichts mit der Getreideblockade zu tun hat. Moskau selbst hatte die Ausfuhr zu Kriegsbeginn gedrosselt, den westlichen Sanktionen aber dafür die Schuld gegeben.
Neben der Angst, dass Putin doch noch einen Rückzieher machen könnte und die Lieferungen weiter boykottiert, bleiben aber auch ganz pragmatische Fragen offen. Denn nach Wochen der Lagerung ist völlig unklar, in welchem Zustand sich die Millionen Tonnen von Weizen sind – also ob sie überhaupt noch brauchbar sind.
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