Nach 500 Tagen im Amt: Macron verliert massiv an Zustimmung
Danny Leder aus Paris
"Als ich jung war, habe ich den Alten geholfen. Der junge macht das Gegenteil, er zieht uns Alten das Geld aus dem Taschl", ruft ein rüstiger Pensionist, mit Fahrrad-Helm und grell-bunten Rucksack, der in einen Schnell-Imbiss auf der Pariser Rue des Pyrennées eintritt. Kein Anwesender widerspricht, einige lächeln betreten, andere nicken zustimmend.
Das Stimmungstief für Emmanuel Macron, 500 Tage nach seinem triumphalen Amtsantritt, ist vielfach spürbar und nicht nur aus den Umfragen abzulesen. In der allerletzten Meinungserhebung des Forschungsinstituts "Odoxa" beurteilten ihn 66 Prozent als "schlechten Präsidenten". Die Zustimmungsrate für Macron stürzte von 46 Prozent noch im vergangenen Mai auf 33 Prozent.
Die für heute, Dienstag, anberaumte Neuaufstellung der französischen Regierung durch Macron soll frischen Elan bringen. Aber diese Umbildung des Regierungsteams erfolgte jetzt erzwungenermaßen und aus einem negativen Anlass heraus: in der Vorwoche war der bisherige Innenminister Gérard aus eigenen Stücken zurückgetreten, um sich wieder auf seinen vormaligen Posten, als Bürgermeister der Stadt Lyon, zu begeben. Dabei hatte Macron, in einer für die Öffentlichkeit sichtbaren Weise, Collomb mehrere Tage lang fast angefleht, um ihn von seinem Rücktritt abzubringen.
Väterlicher Lehrmeister tritt ab
Collomb, ursprünglich ein Spitzenpolitiker der SP, war einer der ersten Weggefährten des jungen Macron bei seinem Marsch auf das Präsidentenamt gewesen. Der 71 Jährige Minister sah sich als väterlicher Lehrmeister des Staatschefs, fand aber zuletzt bei Macron nicht das von ihm scheinbar erwartete Gehör.
Dabei ging es Collomb um seine persönliche Befindlichkeit, wohl aber auch um Rücksichtnahme auf Stimmungen in der Bevölkerung. Collomb ärgerte sich etwa über die Einführung einer Geschwindigkeitsbeschränkung auf Landstraßen auf 80 Stundenkilometer. Im Vorlauf seines Rücktritts warf Collomb dem Präsidenten „Blindheit“ und sinngemäß Arroganz vor.
Der eigentliche Auslöser für den Zwist an der Staatsspitze dürfte aber der Skandal um Alexandre , den gestrauchelten Sicherheitsbeauftragten von Macron, gewesen sein. Der 26-jährige Intimus von Macron war im Juli in die Fänge der Justiz geraten, weil er sich fälschlich als Polizei-Offizier ausgegeben und an linken Demonstranten vergriffen hatte.
Außerdem war Benalla im Begriff eine illegale Parallel-Sicherheitstruppe im Präsidentenamt zu installieren. Innenminister Collomb musste sich wegen dieser Affäre einer Parlamentskommission stellen, bei der er jede diesbezügliche Verantwortung von sich wies.
Zwischen dem Skandal um Benalla und dem jetzigen Rücktitt von Collomb gab es Ende August die Demission des Umweltministers Nicolas Hulot. Auch dieser Minister, bis dahin das populärste Regierungsmitglied, trat gegen den ausdrücklichen Willen von Macron zurück.
Er wolle nicht länger „Illusionen“ streuen, erklärte der Hoffnungsträger der auf Ökologie bedachten, eher linksliberalen Wähler.
Lagerübergreifend ist freilich der Frust der französischen Rentner, namentlich aus der Mittelschicht, die noch bei den Präsidentenwahlen besonders massiv für Macron gestimmt hatten. Mit Ausnahme von 300.000 Mindestrentnern, bekam die Masse der Pensionisten die kräftige Erhöhung einer Sozialsteuer zu spüren, außerdem wurde die Inflationsanpassung der Renten gestoppt.
Macron verteidigt diese Maßnahmen mit dem Argument, die Pensionisten seien im Schnitt besser gestellt als Jungverdiener und müssten zu Gunsten der Integration der jungen Generationen auf dem Arbeitsmarkt Opfer bringen. Tatsächlich erfolgt nun eine radikale Verringerung der Sozialversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer und eine breite Reduzierung von Lokalsteuern. Aber diese Umschichtung zugunsten der jungen Arbeitnehmer wird erst jetzt wirksam werden.
Abbau der Arbeitslosigkeit stockt
Außerdem ist der Abbau der Arbeitslosenrate ins Stocken geraten. Sie hält bei neun Prozent wie im Vorjahr. Im Detail sind zwar Besserungen spürbar: die Jugendarbeitslosigkeit sinkt, Betriebsgründungen, Fixanstellungen und die Zahl der neuen Arbeitsplätze wachsen beständig. Aber in der Bevölkerung überwiegt noch das Gefühl, die von Macron veranlasste Lockerung des Arbeitsrechts sowie der Abbau von Steuern für Unternehmer und Wohlhabende seien ungerecht und unwirksam.
Macron ist sich dieser Gefahr bewusst und mahnte kürzlich vor Managern der Auto-Industrie: „Wir haben Arbeitern, Angestellten und der Mittelschicht viele Opfer abverlangt. Heute sind viele hilf- und perspektivlos. Das muss sich ändern. Das ist mein Problem, aber auch das Eure“. Das hindert den Staatschef freilich nicht daran, immer wieder wenn er auf unzufriedene Bürger stößt, mit forschen Zurechtweisungen zu reagieren. Zu einer Rentnerin meinte er kürzlich: „Wenn weniger gejammert würde, ginge es Frankreich wesentlich besser“.
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