Referendum in Ungarn: Internationale Pressestimmen

Referendum in Ungarn: Internationale Pressestimmen
Internationale Tageszeitungen kommentieren am Dienstag das zwiespältige Ergebnis des Flüchtlingsreferendums in Ungarn.

Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban hatte zwar eine "stalinistische" Zustimmung von 98 Prozent zu seinem Kurs erreicht, ist aber auch klar an dem von ihm selbst festgelegten Beteiligungsquorum von mindestens 50 Prozent der Stimmbürger gescheitert.

"Times" (London):

"Die Sorgen mitteleuropäischer Länder sind mehr als populistische Stimmungsmache. Es gibt berechtigte Ängste, dass der belastete Flüchtlingsdeal zwischen der EU und der Türkei zerbricht und der Exodus aus dem Nahen Osten nicht aufzuhalten ist. Griechenland und Italien spüren den Druck bereits. Sollten mitteleuropäische Staaten ein System mit von Brüssel vorgegeben Flüchtlingsquoten akzeptieren, würden die Zahlen später vermutlich noch steigen. Und es gibt eine Vorahnung, dass sich die Balance in Europa nach dem Brexit in Richtung Deutschland verschiebt, das künftig noch entschlossener auftreten könnte. Jetzt also, so das Kalkül, ist die richtige Zeit, Widerstand gegen beide zu leisten - die Europäische Kommission und Berlin. Das Risiko einer unkontrollierten Zuwanderung ist dabei das Schlachtfeld. (Ungarns Ministerpräsident) Orban und seine Kollegen sollten das Blatt jedoch nicht überreizen. Ungarn hat jede Menge heimische Probleme, vom unterfinanzierten Gesundheitswesen bis zur weitverbreiteten Korruption. Und es sollte nicht glauben, dass Wladimir Putin ein besserer Bettgefährte wäre als Jean-Claude Juncker."

"Dennik N" (Bratislava):

"Der ungarische Regierungschef Viktor Orban hat keine andere Möglichkeit, als das Ergebnis des Referendums über Flüchtlingsquoten als seinen Erfolg auszugeben. Schließlich hat er die Volksabstimmung noch vor ein paar Tagen als schicksalhaft bezeichnet. Und er hat in sie zu viel Energie, Zeit, Medieneinsatz und Staatsgeld hineingesteckt, als dass er jetzt einfach gesenkten Hauptes eingestehen könnte, er sei enttäuscht darüber, dass ein Thema, das er so lange und intensiv befeuerte, trotzdem nicht einmal die Hälfte der Bürger zu den Wahlurnen locken konnte."

"24 Tschassa" (Sofia):

"Das Referendum in Ungarn ist ein weiterer heftiger Schlag des Volkes auf den Hintern der europäischen bürokratischen Oligarchie. Die Ungarn schrien gemeinsam 'Nein' der Umverteilung von Flüchtlingen nach Quoten. (...) Das Ergebnis war klar auch ohne Referendum. So weit hat es aber das totalitäre Ergebnis von 98,2 Prozent in einem demokratischen Staat noch nicht gegeben. (Ungarns Regierungschef Viktor) Orban schaffte die Wahlerfolge von (dem sowjetischen Diktator Josef) Stalin auf einer völlig demokratischen Weise."

"Hospodarske noviny" (Prag):

"Es ist keine Niederlage für Viktor Orban im eigentlichen Sinne. Das Referendum hat seine Fähigkeit zur Mobilisierung der Menschen grundsätzlich bestätigt, wenn auch in gewissen Grenzen. Das Scheitern der Volksabstimmung wird ihn nicht daran hindern, in der Europäischen Union weiter den bösen Mann zu spielen - verpackt in den Schutz traditioneller Werte. Denn darauf hören immer mehr verunsicherte Wähler nicht nur im Osten, sondern auch im Westen der Union. (...) Wie sehr, das wird sich am 4. Dezember im benachbarten Österreich zeigen. Dort geht Norbert Hofer von den Freiheitlichen als Favorit in die Wiederholung der Stichwahl um das Präsidentenamt - und er macht kein Hehl daraus, dass er sich von der Politik Orbans inspirieren lässt."

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