"Das Land gerechter machen"

Will Basisdemokratie in der Partei und mehr Gerechtigkeit in Großbritannien: Labour-Chef Corbyn
Jeremy Corbyn, neuer Chef der Labour-Partei, skizziert den Weg nach links.

Kein Feuerwerk am Anfang, kein Küsschen für die Ehefrau am Schluss: Schon die Äußerlichkeiten machten deutlich, dass dieser Auftritt auf dem Parteitag in Brighton ganz anders war als all die von Labour-Parteichefs in den vergangenen 20 Jahren.

Vor gerade einmal zwei Wochen ist der 66-jährige Jeremy Corbyn zum Labour-Chef der Labour-Partei gewählt worden: Mit dem Versprechen, alles anders zu machen, als es in dieser Partei die Norm war, seit Tony Blair 1994 "New Labour" ausgerufen hatte. "Ein politisches Erdbeben" nennt er in der Rede seinen Sieg: "Eine Entscheidung, für einen grundlegenden politischen Wandel in unserer Partei."

Neue Linke umarmen

Der Weg in die politische Mitte, begleitet von Privatisierungswelle, massiv angeheiztem Börsenboom und Liberalisierung der Arbeitswelt, soll ein Ende haben. Nach dem kläglichen Scheitern von Labour bei den letzten Parlamentswahlen im Frühjahr will Corbyn die Partei wieder nach links führen. "Die neuen Linken", die "jungen Leute, die vor Ideen übergehen", die müsse die Partei umarmen: "Nur so können wir wieder eine Gesellschaft für die Mehrheit bauen." Ein hochrangiger Gewerkschafter hatte kurz zuvor grimmig eine Parole ausgegeben: "Von jetzt an sind wir die Anti-New-Labour-Partei."

Für Corbyn ist die Antwort auf die Sparpolitik der konservativen Regierung ein starker Staat, der Geld für Soziales, für Infrastruktur in die Hand nimmt. Eines, so Corbyn vor dem Parteitag, wolle er vor allem klar stellen: "Unter meiner Führung werden wir die Sparpolitik frontal attackieren, diese Wirtschaft, die nur wenigen wirklich etwas bringt."

Verstaatlichung

Die ersten Richtungsentscheidungen hat die Partei schon auf diesem Parteitag getroffen. Großbritanniens einst unter den Konservativen privatisierte Eisenbahnen sollen wieder staatlich werden, Gewinne in sozialen Wohnungsbau fließen.

Es ist genau diese Idee eines sozialeren, gerechteren Großbritannien, mit der Corbyn die Parteispitze erobert hat und die er auch zur Kernaussage seiner Rede auf dem Parteitag machte: "Weil ich dieses Land liebe, will ich es von der krassen Ungerechtigkeit befreien, es fairer, anständiger und gerechter machen." Der Linke, der fast sein gesamtes politisches Leben im Widerstand gegen die Parteispitze verbracht hat, hat angekündigt, Steuerlöcher für große Unternehmen zu schließen, Arbeitnehmern wieder mehr Schutz und Rechte zu geben und die von den Konservativen drastisch erhöhten Schul- und Studiengebühren abzuschaffen.

Sozialismus aus dem Dampfmaschinen-Zeitalter nennen das höhnisch auch seine innerparteilichen Gegner. Für sie raubt Corbyn der Partei, die inzwischen zwei Parlamentswahlen verloren hat, für weitere Jahre jegliche Chance, wieder an die Regierung zu kommen.

Streit um Militäreinsatz

Auch auf dem Labour-Parteitag sind heftige Debatten losgebrochen. Dass der Pazifist Corbyn den Militäreinsatz gegen die Terrororganisation IS in Syrien und im Irak ablehnt, ist für viele ein Absage an Großbritanniens traditionelle weltpolitische Haltung. Auch das Ende der britischen Atomwaffen, wie der Parteichef sie fordert, wollen sie nicht hinnehmen.

Doch der will sich von Opposition und auch nicht von offenem Widerstand irritieren lassen. Die Zeit der Befehlsausgaben von der Parteispitze sei ohnehin vorbei. Mit "ehrlicher Debatte, nicht mit brutaler Disziplin" wolle er die Partei gestalten: "Menschlicher, offen für alle Meinungen und von der Basis nach oben, nicht umgekehrt."

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