Die ehemalige französische Kolonie hat nicht nur geostrategische Bedeutung, sondern ist ein wichtiger Lieferant von Uran.
02.08.23, 17:16
aus Paris Simone Weiler
Um halb zwei Uhr Früh landete am Mittwoch eine Maschine aus Niamey, der Hauptstadt des Niger, in Paris, bald gefolgt von einer weiteren. Ihr entstiegen die ersten 262 französischen und europäischen Passagiere, die Frankreich eine Woche nach dem Militärputsch aus dem westafrikanischen Land ausfliegen ließ.
Niger galt nach den vorhergegangenen Putschen in den benachbarten Staaten Burkina Faso und Mali, von wo die französischen Truppen in Folge abgezogen wurden, noch als letzter Partner in dieser Krisenregion im Kampf gegen den Dschihadismus in der Sahel-Zone und als wichtiger Militärstützpunkt. Mehr als 1.500 französische Soldaten befinden sich weiter in dem Land.
Neben den geostrategischen Interessen steht auch wirtschaftlich einiges auf dem Spiel, denn Niger gehört zu den weltweit größten Lieferanten von Uran, das für den Betrieb von Atomkraftwerken benötigt wird. Der Rohstoff stellt das wichtigste Exportgut des Binnenstaats dar. Gut ein Viertel des in die EU importierten Urans stammte im vergangenen Jahr laut der EU-Atombehörde Euratom aus Niger. Frankreich hat mit 56 Reaktoren EU-weit den größten Reaktorpark. Der Anteil der Atomkraft am französischen Energiemix liegt bei rund 70 Prozent.
Im Frühjahr wurde der Bau von mindestens sechs neuen Reaktoren beschlossen – der Bedarf an Uran ist und bleibt also groß, auch wenn Frankreich 37.800 Tonnen Uran gelagert hat. Tatsächlich war Niger in den Jahren 2005 bis 2020 mit einem Anteil von rund 18 Prozent einer der größten Uranlieferanten für Frankreich hinter Australien und Kasachstan.
Beschwichtigungen
Der staatlich kontrollierte französische Atomkraftkonzern Orano bewirtschaftet Uran-Minen im Niger, davon eine größere im Norden des Landes, wo rund 900 Mitarbeiter angestellt sind. Orano zufolge habe die aktuelle Krise "keinerlei kurzfristige Auswirkungen auf die Lieferkapazitäten nach Frankreich und an die internationalen Kunden". Ebenso beschwichtigte ein Sprecher des französischen Außenministeriums gegenüber Bedenken angesichts einer möglichen Abhängigkeit. "Wir haben unsere Uran-Importe stark diversifiziert." Es gebe keine Versorgungsrisiken, hieß es auch aus dem Ministerium für die Energiewende.
Experten weisen allerdings darauf hin, dass es sich auch bei anderen wichtigen Uran-Lieferanten nicht unbedingt um Länder mit stabilen politischen Beziehungen handele – wie Kasachstan und Russland. "Gemeinsam mit Niger vereinten diese drei Länder 69 Prozent der europäischen Importe im Jahr 2022 auf sich", sagte der deutsche Energie-Spezialist und Atomkraft-Gegner Mycle Schneider.
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