Keine Feuerpause in der Ukraine: Kämpfe gehen unvermindert weiter
Die Kampfhandlungen in der Ukraine gehen nach Einschätzung britischer Geheimdienste auch in der orthodoxen Weihnachtszeit auf dem üblichen Niveau weiter.
Eine der am härtesten umkämpften Gegenden sei weiterhin die um die Stadt Kreminna in der Region Luhansk, hieß es am Samstag im täglichen Kurzbericht des britischen Verteidigungsministeriums. "In den vergangenen drei Wochen haben sich die Kämpfe rund um Kreminna auf das dicht bewaldete Gebiet westlich der Stadt konzentriert."
Da die Wälder selbst im Winter einen gewissen Sichtschutz vor der Beobachtung aus der Luft böten, hätten beide Seiten sehr wahrscheinlich Schwierigkeiten, den Artilleriebeschuss genau einzustellen. In den Waldgebieten kämen wie üblich vor allem Infanteristen zum Einsatz - Soldaten also, die vorrangig zu Fuß und auf kurze Distanz kämpfen.
Waffenstillstand hielt nicht lange
An sich beginnt heute, Samstag, offiziell der zweite und letzte Tag einer von Kremlchef Wladimir Putin angeordneten Feuerpause.
Der 36-stündige Waffenstillstand begann Freitagmittag Moskauer Zeit und hätte die erste Waffenruhe entlang der gesamten Frontlinie seit Beginn des russischen Angriffskriegs am 24. Februar vergangenen Jahres sein sollen.
Die Weihnachtswaffenruhe hatte Putin am Donnerstag auf Bitten des Moskauer Patriarchen Kirill verkündet. Die Ukraine lehnte die Feuerpause als heuchlerisches Ablenkungsmanöver ab, die der russischen Armee nur dazu diene, ihre Kräfte umzugruppieren.
Auf beiden Seiten gebrochen
Lange sollte die Waffenruhe auch nicht halten: Schon am Freitag galt in der gesamten Ukraine für zwei Stunden Luftalarm. Auslöser waren laut Medienberichten mehrere über dem benachbarten Belarus aufgestiegene russische Flugzeuge, die Angst vor neuen Angriffen schürten.
Die Ukraine wiederum griff am Freitag vor allem im östlichen Donezker Gebiet an. "Auf diese Weise gratulieren sie den Besatzern zum bevorstehenden Weihnachten!", erklärte das Verteidigungsministerium in Kiew. In der Kleinstadt Bahmut wurden Stellungen der Russen mit 120-Millimeter-Mörsergranaten als "Geschenk" beschossen.
"Der Widerstand geht weiter, bis der letzte russische Eindringling auf ukrainischem Boden getötet ist!", hieß es in der Mitteilung aus Kiew.
Am Samstag betonte das Verteidigungsministerium, russische Streitkräfte würden sich an die einseitig erklärte Feuerpause halten. Es würden lediglich ukrainische Angriffe erwidert.
Ukrainischer Drohenangriff am Samstag
Heute, Samstag, hat die russische Flugabwehr auf der Krim Drohnenangriffe der Ukraine gemeldet. Ein unbemanntes Flugobjekt sei Samstag früh über einer Mole nahe Sewastopol, der Marinebasis der russischen Schwarzmeerflotte, abgeschossen worden.
Selbst das "heilige Weihnachtsfest" könne die "unmenschlichen Wesen" nicht davon abhalten, "unsere Heldenstadt anzugreifen", reagierte der russische Gouverneur von Sewastopol, Michail Raswoschajew, laut Staatsagentur Tass in seinem Telegram-Kanal. Der Hafen war bereits mehrfach Ziel ukrainischer Drohnenangriffe.
Russland versorgt seine Besatzungstruppen im Süden der Ukraine vor allem über die Krim. Immer wieder nimmt daher die Ukraine logistische und militärische Ziele auf der Halbinsel ins Visier. In Sewastopol waren zuletzt am 4. Jänner zwei ukrainische Drohnen abgeschossen wurden.
Die Rückgewinnung der Krim ist zudem eins der erklärten Ziele Kiews, nachdem der russische Angriffskrieg in den vergangenen Monaten zunehmend ins Stocken geriet. Präsident Wolodymyr Selenskij erklärte, dass dies auf diplomatischem oder militärischem Wege erfolgen könne.
Sorge in Belarus um mögliche Mobilmachung
In der belarussischen Opposition mehren sich Sorgen vor einer möglichen Mobilmachung in ihrem Land zur Unterstützung von Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Der im Warschauer Exil lebende Oppositionspolitiker Pawel Latuschka sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Samstag), die Vorbereitungen dafür seien weit fortgeschritten. Machthaber Alexander Lukaschenko brauche nur noch auf Befehl des Kremls auf den Knopf zu drücken, um mit der Mobilmachung zu beginnen.
Wie der frühere belarussische Kulturminister Latuschka berichtete, seien fast alle Mitarbeiter, die dem belarussischen Innenministerium unterstehen, aufgefordert worden, ihre Pässe abzugeben. "Das bedeutet, dass diese Personen das Territorium von Belarus im Falle ihrer Mobilisierung nicht mehr verlassen können", sagte Latuschka.
Man könne zudem beobachten, dass die russische Militärpräsenz in Belarus (Weißrussland) ständig wachse. Das betreffe die Zahl der Soldaten und die Ausrüstung. "Militärübungen der russischen Streitkräfte, einschließlich Übungen zur Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften Russlands und von Belarus finden regelmäßig statt", sagte Latuschka.
Befürchtungen über eine aktive Beteiligung des belarussischen Militärs am Angriffskrieg gegen die Ukraine gibt es praktisch schon seit Beginn des russischen Einmarsches in das Nachbarland Ende Februar 2022. Die russischen Streitkräfte haben das Staatsgebiet des Verbündeten Belarus als Ausgangspunkt für Angriffe auf die Ukraine genutzt.
Machthaber Alexander Lukaschenko, der im Westen nicht mehr als Präsident anerkannt wird, ist militärisch, politisch und wirtschaftlich abhängig vom Kreml. Belarussische Soldaten kämpfen offiziellen Angaben zufolge aber bisher nicht in der Ukraine.
London will Aufklärung russischer Kriegsverbrechen vorantreiben
London will die Aufklärung von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine vorantreiben und hat dazu gemeinsam mit den Niederlanden zu einem internationalen Treffen eingeladen. Im März sollen sich Justizminister aus aller Welt in London treffen, um finanzielle und praktische Unterstützung für die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag zu organisieren, wie die britische Regierung am Samstag mitteilte.
"Die russischen Streitkräfte sollten wissen, dass sie nicht ungestraft handeln können, und wir die Ukraine unterstützen werden, bis Gerechtigkeit herrscht", sagte der britische Justizminister Dominic Raab einer Mitteilung zufolge. Die internationale Gemeinschaft müsse dem Weltstrafgericht starke Rückendeckung geben, damit Kriegsverbrecher zur Rechenschaft gezogen werden könnten.
London hatte bereits wenige Monate nach Beginn des russischen Angriffskrieges begonnen, das Gericht mit fachlicher Expertise zu unterstützen. Gemeinsam mit anderen westlichen Partnern schulen die Briten auch ukrainische Richter und Strafverfolger.
Kommentare