"Das ist kein Bluff“, sagte Wladimir Putin vor Kurzem, als es um den möglichen Einsatz von Atomwaffen ging. Russland spiele keine Spielchen, Drohungen seien ernst zu nehmen, lautete da die Botschaft.
Aussagen wie diese werden im Westen meist mit Vorsicht behandelt. Zu Recht: Denn der Kreml blufft und täuscht nicht zu selten – zuletzt beim Getreidedeal mit der Ukraine. Am Samstag setzte Moskau die Vereinbarung, unter der seit Juli ukrainisches Getreide über sichere Routen im Schwarzen Meer exportiert werden kann, überraschend aus. Kiew nutze die Passagen, um mit Drohnen anzugreifen, lautete die Begründung – die die Ukraine freilich umgehend zurückwies.
Die Drohgebärde, mit der Moskau ein Zurückschrauben der westlichen Sanktionen erreichen wollte, erwies sich allerdings als heiße Luft. Die Ukraine schickte nämlich einfach weiter Schiffe los, 85 allein in zwei Tagen – das war deutlich mehr als in den Wochen zuvor, da hatte Russland die Durchfahrten nämlich schon massiv behindert. Der Kreml musste den Schiffen tatenlos zusehen. Ein Beschuss der zivilen Frachter wäre ein Kriegsverbrechen gewesen; die Exporte laufen unter Schirmherrschaft der UN und der Türkei. Putin blieb also wenig über, als den Rückzug vom Rückzug anzutreten.
In eigene Falle getappt
War das ein Zeichen der Schwäche?
Russlands Hardliner, die Putin immer massiver kritisieren, sehen das so – und auch neutrale Beobachter attestieren dem Kreml immer erratischeres Vorgehen. „Der Kreml ist in eine Falle getappt, die er sich selbst gestellt hat“, schreibt Kreml-Kennerin Tatjana Stanowaja. Er habe ohne Plan agiert, daher auch der schnelle Rückzug. Der zeige aber auch, dass Putin durchaus einlenken könne, wenn er keinen Ausweg sehe.
Nur: Dass Putin angesichts der Misserfolge am Schlachtfeld auch bereit für Friedensgespräche sei, lässt sich daraus nicht ableiten. Ernsthafte Verhandlungen seien erst möglich, „wenn Putin keine Möglichkeit mehr sieht, den Krieg militärisch zu entscheiden“, so Russlandexpertin Sabine Fischer von der deuschen Stiftung Wissenschaft und Politik. Und das sei derzeit leider eine „Mission impossible.“
Kriegsablehnung
Putins Verhalten lasse sich, so die Beobachter, eher auf eines zurückführen: Auf die wachsende Unzufriedenheit in Eliten, Sicherheitsapparat und Bevölkerung. Kreml-Insider berichten davon, dass die meisten Beamten in Putins Apparat völlig desillusioniert seien, was den Ausgang der „Spezialoperation“ betrifft; und die Hardliner, die Putin schon seit geraumer Zeit auch öffentlich kritisieren, werden lauter.
Auch unter den Russen selbst wächst die Ablehnung. Der Anteil jener, die sich ein Ende des Kriegs und eine Aufnahme von Gesprächen wünschen, ist seit Beginn der Mobilisierung auf 66 Prozent gewachsen, hat das unabhängige Lewada-Zentrum jetzt erhoben. Vor einem Monat waren es noch gut 20 Prozent weniger.
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