Putins zynische "Friedensbotschaft"

Putins zynische "Friedensbotschaft"
Zwei Männer, eine Meinung: In Tucker Carlsons Interview darf sich Wladimir Putin als allwissender, freundlicher Herrscher präsentieren. Doch seine Botschaft ist vergiftet – und die perfekte Wahlhilfe für die Republikaner.  

Der Tisch ist ein Symbol, das kennt man ja schon aus der Zeit vor dem Krieg. Damals war es der weiße, meterlange Marmor-Tisch, der Putin von den westlichen Staatschefs trennte. Diesmal steht da nur ein kleiner Beistelltisch, und auf den legt der Kremlchef gleich zu Beginn des Gesprächs seine Uhr. Die Botschaft: Für Dich habe ich habe Zeit.  

Der Mann, der ihm gegenübersitzt, ist auch ein guter Zuhörer, ganz anders als die anderen Fragensteller aus dem Westen. Tucker Carlson sitzt ja auch nur deshalb da: Der ehemals berühmteste Fox-Journalist, der seinen Job wegen seiner Liebe zu Verschwörungstheorien verloren hat, wird in Russland seit Langem zum einzigen glaubwürdigen US-Reporter stilisiert.

Das Staats-TV zeigt seine Shows, die seit seinem Rauswurf auf X abhält,  und seit er vor ein paar Tagen in Moskau ankam, wurde  jeder seiner Schritte dokumentiert –  zuerst Einreise, dann Ballett im Bolschoi, später Burger beim russischen McDonald’s-Imitat.

Mehr als 100 Millionen Zuseher

Jetzt sitzt Carlson also endlich im Kreml. Und macht genau das, was sich Putin wünscht: Er bietet ihm eine Bühne für seine historischen Ausschweifungen, mit denen er stets die Invasion der Ukraine legitimiert. Eine halbe Stunde lang hält ihm Putin einen Vortrag, lässt sich Archivdokumente bringen, spricht über  Kiewer und Nowgoroder Fürsten aus dem 16. Jahrhundert, um rechtzufertigen, warum seit zwei Jahren Soldaten und Zivilisten in der Ukraine sterben. Carlson spielt dabei brav mit: „Warum sind Sie nicht schon vor 20 Jahren in die Ukraine einmarschiert, wenn die doch kein echter Staat ist?", fragt er. Ganz unironisch.

Die Kriegsverbrechen, die Grausamkeiten, die haben an diesem Abend keinen Platz. Das darf einen nicht wundern, sie spielten schon zuvor  in Tucker Carlsons Universum keine Rolle. Schon auf verbreitete er ungehindert Kreml-Propaganda, da hatte er etwa drei Millionen Zuseher. Auf Elon Musks X sind es im Schnitt zwölf, und bei diesem Interview sind es bis Freitagnachmittag mehr als 100 Millionen.

Der Regisseur ist Putin

Genau das macht das Interview auch so problematisch. Carlson inszeniert sich zwar als seriöser Fragensteller, aber er bedient über zwei Stunden eigentlich nur die Sichtweisen Putins. Der Kremlchef ist der Regisseur dieses Gesprächs, das zeigt er schon zu Beginn. Ob das hier ein „ernsthaftes Gespräch“ sei oder eine Talkshow sei, fragt Putin da, und Carlson lacht nur gackernd. Ein paar Minuten zuvor hat er sich mit dem Sager blamiert, dass Putin ja „historische Ansprüche auf die Westukraine“ stelle. Eigentlich sind es der Süden und Osten.

Viel problematischer als diese Unschärfen ist aber die Botschaft, die Putin in die Welt bringen darf. Viele von Tucker Carlsons Zuschauer sind Trumpisten, eine Gruppe, die innerhalb der Republikaner immer lauter und größer wird. In deren Echokammern hallen die angeblichen „Friedensbotschaften“ Putins doppelt und dreifach wider: Statt Waffen zu liefern, sollten die USA doch einfach mit Russland verhandeln. „Sie haben zu Hause ja Besseres zu tun“, sagt Putin, er meint den Grenzschutz zu Mexiko, die Inflation, dafür würde das Geld doch eher gebraucht. Eine bessere Wahlkampfhilfe für die Republikaner, die der Ukraine ohnehin schon den Geldhahn abdrehen wollen, gibt es derzeit nicht.  

Putins zynische "Friedensbotschaft"

"Nur wenn Polen Russland angreift"

Ein tatsächliches Gesprächsangebot  ist das aber nicht, im Gegenteil. Putin sagt zwar mit freundlicher Stimme, „wir sind zum Dialog bereit“, meint, sein Krieg sei binnen Tagen vorbei, wenn die USA keine Waffen mehr lieferten. Was er aber verschweigt, und wonach Carlson auch nicht fragt, sind Gegenleistungen des Kreml: Moskau will sich ausschließlich den Sanktus der USA sichern, um die illegal annektierten Gebiete zu behalten. Ein langfristiger Frieden? Kommt in Putins Welt nicht vor.

Vor solch vergifteten Angeboten hatten Kreml-Beobachter schon im Vorfeld gewarnt. Putin werde das Gespräch nur nutzen, um sich „als bester Freund der Amerikaner“ und als „Friedensstifter“ darzustellen, schrieb Analystin und Kreml-Kennerin Tatjana Stanowaja. Allein, die Inszenierung kommt in den USA an, ebenso wie die Aussagen, dass Russland „kein Interesse an Polen, Lettland oder einem anderen Land“ habe. Dieses Zitat Putins hallte in fast allen westlichen Medien wider, eine willkommene Beruhigungspille nach zwei Jahren Krieg. Nur: Dass Putin hinzufügte, „wir würden nur angreifen, wenn Polen Russland attackiert“, zur Verteidigung also, ging dabei unter. Zur angeblichen „Verteidigung“ schickte Putin nämlich auch seine Truppen auch in die Ukraine.

„Das war großartig“

Das Interview, wenn man es überhaupt so nennen kann, verkommt damit zur gegenseitigen Wahlkampfhilfe. Für Trump ist Tucker Carlson willfähriger Erfüllungsgehilfe, ebenso für Putin – der  will sich demnächst im Amt bestätigen lassen, und je mehr Rückenwind aus dem Trump-Lager kommt, umso besser. 

Passend  ist da auch, dass Putin das Gespräch beendet.  „Sollen wir hier aufhören, oder gibt es noch was?“, fragt er. Carlson antwortet beinahe ehrfürchtig: „Nein. Ich denke, das war großartig.“

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