Französisches Parlament stimmt für Bestrafung von Freiern

ARCHIV -- ZUM ENTSCHEID DER EIDGENOESSICHEN RAETE BETREFFEND SEXUELLER AUSBEUTUNG STELLEN WIR IHNEN AM DIENSTAG, 10. SEPTEMBER, FOLGENDES ARCHIVBILD ZUR VERFUEGUNG: Prostituierte bieten sich auf dem Strassenstrich an am Sihlquai in Zuerich, am Dienstag, 10. April 2010. (KEYSTONE/Alessandro Della Bella)
Das umstrittene neue Prostitutionsgesetz soll Prostituierten helfen. Für Kunden sind Geldstrafen und "Sensibilisierungskurse" geplant.

Die französische Nationalversammlung hat am Freitagabend für die Bestrafung von Freiern gestimmt. Die Abgeordneten votierten per Handzeichen für die zentrale Bestimmung des umstrittenen Gesetzes zur Prostitution. Das gesamte Gesetz, das von Mandataren von Regierung und Opposition gemeinsam eingebracht worden war, wird am Mittwoch zur Abstimmung gestellt. Dann muss noch der Senat dem Text zustimmen.

Bei einem Vergehen ist eine Geldstrafe wegen des Kaufs sexueller Dienstleistungen von 1.500 Euro vorgesehen, im Wiederholungsfall sieht das Gesetz für Freier eine Strafe von 3.750 Euro vor. Als Alternative oder Ergänzung zu einer Geldstrafe können auch Kurse zur "Sensibilisierung" der Männer angeordnet werden. Zugleich stimmten die Abgeordneten am Freitagabend dafür, den auf die Prostituierten zielenden Straftatbestand des "Kundenfangs" abzuschaffen, der die Frauen mit zwei Monaten Gefängnis bedroht, wenn sie öffentlich um Freier werben.

Mindestens 20.000 Prostituierte

Die Abgeordneten stimmten außerdem für Unterstützungsmaßnahmen für Frauen, die die Prostitution verlassen wollen. Dafür sollen jährlich 20 Millionen Euro bereitgestellt werden. Ausländische Prostituierte, die die Unterstützung in Anspruch nehmen, erhalten gemäß dem neuen Gesetz eine sechsmonatige Aufenthaltserlaubnis, die erneuert werden kann. Durch das Gesetz soll Prostitution, die derzeit in Frankreich legal ist, eingedämmt werden.

Der Text hatte in den vergangenen Wochen eine heftige öffentliche Debatte in Frankreich ausgelöst, auch weil sich zahlreiche Prominente wie die Schauspielerin Catherine Deneuve gegen eine Bestrafung der Freier wandten. In Frankreich wird die Zahl der Prostituierten auf mindestens 20.000 geschätzt. Davon kommen 80 bis 90 Prozent aus dem Ausland, vor allem aus Osteuropa, Afrika, China oder Lateinamerika. Viele Frauen sind Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution.

Zumeist nennt sie sich Romana, hin und wieder auch Karin. Eine Frau, 29, die ihren Job, die Sexarbeit, als etwas Selbstverständliches ansieht. Jederzeit könne sie in ihren alten Beruf zurück, erzählt sie in Interviews. Sie redet, wenn auch anonym, mit Journalisten – und erzeugt mit ihnen ein Zerrbild. Denn repräsentativ ist sie für Österreichs Szene nicht: Sie gehört einer überschaubaren Anzahl an betont selbstbestimmten Frauen an, die abseits ökonomischen Zwangs arbeiten.

In der Mitte des Spektrums liegt die große Masse: Armutsprostituierte. Seit der EU-Osterweiterung sind es Rumäninnen, Bulgarinnen oder Ungarinnen, die vor der Armut in ihrer Heimat „fliehen“.

Die luxussüchtige Hure im Nerz ist ein Mythos: Die Frauen verdienen Geld, für sich, ihre Kinder, Eltern. Was unterscheidet sie von Zwangsprostituierten? Sie können sich für oder gegen die Tätigkeit entscheiden, wenn auch der Spielraum schmal ist.

Alltag von Gewalt bestimmt

Französisches Parlament stimmt für Bestrafung von Freiern
Die Grenze zu Zwangsprostituierten, die diese Wahl nicht haben, ist fließend. Wie viele es gibt, ist unklar. Ihr Alltag wird von Gewalt bestimmt, ihre Peiniger sind Menschenhändler, die sie mit falschen Versprechungen in den goldenen Westen locken.

Schätzungen zufolge gibt es in Österreich 10.000 legale und illegale Prostituierte. Alleine in Wien sind 3400 gemeldet, 1700 gehen dem Geschäft nach. Straßenprostitution ist in Wien in Wohngebieten verboten – und ein Randphänomen: Bis zu 150 Frauen schaffen auf Wiens Straßen an.

Völlig liberalisiert ist das Gewerbe nicht: Eine Meldung und Gesundheitschecks sind verpflichtend. Seit dem Vorjahr ist es nicht mehr sittenwidrig.

Lange Zeit war der Freier unsichtbar. Alle redeten über die Prostituierten, niemand über die Kunden. Den typischen Freier gibt es nicht: Er ist Student, Pensionist, Familienvater, Arbeiter oder Manager, ledig oder verheiratet – ein Querschnitt aus allen Schichten. Er ist erstens scheu: Er schlendert umher, kopuliert, bezahlt, und ist weg. Interviews – niemals. Und es gibt ihn in einer großen Anzahl: Angenommen, dass jede (legale und illegale) Prostituierte einen Kunden täglich hat, sind es in Österreich 10.000 Männer pro Tag.

Das Prostitutionsverbot in Schweden brachte ein Umdenken: Dort werden Freier, nicht Frauen bestraft. Das Modell scheint Schule zu machen. In Frankreich mobilisiert eine Bewegung prominenter Männer gegen ein „Verbot von käuflichem Sex“ . „Hände weg von meiner Hure“, heißt ihr Slogan.

Der Kunde bestimmt mit seiner Nachfrage den Markt, feilscht, bezahlt Dumping-Preise. Bernd Ullrich, stv. Chefredakteur der Die Zeit, ätzte in einem Kommentar, wie selbstverständlich der Kauf von Frauen sei, und wie gewissenlos die Käufer. Wobei der Freier nicht „für den Sex, sondern die Abwesenheit der Frau bezahlt“, schreibt Ullrich.

Adressaten von Aufklärungskampagnen sind sie nirgends. Angelehnt an den Pariser Männerbund böte sich an: „Mir es nicht egal, wie es meiner Hure geht.“ Eine Light-Version der Freierbestrafung gibt es in Wien: Straßenprostitution ist im Wohngebiet verboten. Bahnt ein Mann an, wird er bestraft. Im Vorjahr waren es rund 170.

Corinna Milborn ist Journalistin und Co-Autorin von „Ware Frau“ (Ecowin, 19,95 €). Sie sagt: „Prostitution ist geprägt von Ausbeutung, Abwertung von Frauen, Gewalt und Menschenhandel.“ Was tun? Legalisierung und Gleichstellung mit anderen Berufen wie in Deutschland habe für die Sicherheit der Frauen nur wenig gebracht. Andererseits: „Wollen wir in einer Gesellschaft leben, in der man an jeder Ecke für 20, 30 Euro einen Frauenkörper benutzen darf? Dieses Ziel stand für den schwedischen Gesetzgeber im Vordergrund. Eine Gesellschaft zu bauen, in der das nicht mehr normal ist. Ein schönes Ziel.“

Manfred Ainedter, Staranwalt: „Verbot Schwachsinn“

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APA2786787-2 - 30082010 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA 155 CI - Ernst H., der langjährige Freund von Natascha Kampuschs Entführer, Wolfgang Priklopil, hat sich am Montag, 30. August 2010, im Wiener Straflandesgericht in seinem Prozess wegen Begünstigung "nicht schuldig" bekannt. Im Bild: Ernst H. (links) und sein Anwalt Manfred Ainedter. APA-FOTO: GEORG HOCHMUTH

Nicht umsonst gilt doch Prostitution als „ältestes Gewerbe der Welt“. Und warum? Weil es sich über Jahrtausende bewährt hat. Natürlich spielen da der Menschenhandel und die brutale Ausbeutung der Frau mit hinein – aber grundsätzlich ist das, bitteschön, ein ganz anderes Thema. Ein Verbot wäre meiner Meinung nach totaler Schwachsinn. Damit würde die Prostitution ja keineswegs abgeschafft, die Prostituierten würden nur in die Illegalität abdriften. Dazu kommt noch die bedenkliche gesundheitliche Gefährdung, wenn behördliche Untersuchungen wegfallen. Das soziale Phänomen käuflicher „Liebe“ erfüllt eine Blitzableiter-Funktion. Es dient dem männlichen Aggressionsabbau. Das mag kulturpessimistisch klingen, aber es ist klüger, die Prostitution zu erlauben als an die männliche Sozialisation zu glauben.

Christine Schubert, Schauspielerin: „Stoppt Versklavung!“

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(u. a. als die legendäre Wiener Vorstadtdirne der „Mutzenbacher“-Verfilmungen 1969/’70) Meine Haltung dazu? Dieser Staat kennt sich ja nicht einmal beim Budgetloch aus – wie will er denn da über die Prostitution „befinden“? Wo beginnt sie, wo endet sie? Früher haben sich die Reichen und der Adel ihre Mätresserln in den Jagdschlössern gehalten, seit jeher kennen wir die „Versorgungsprostitution“ namens Ehe, für die es im Wienerischen den Begriff „Schnitzelhur’“ gibt. Ich finde es ehrenvoll, wenn sich Prominente gegen die brutalen Begleiterscheinungen der Prostitution einsetzen – aber es würde schon genügen, wenn man endlich einmal bestehende Gesetze einhält oder rigoros durchsetzt. Menschenhandel und Sklavenhaltung, körperliche und seelische Gewalt – das sind die wahren Feindbilder jeder Gesellschaft.

Dietrich Siegl, Schauspieler: „Verboteritis nervt“

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Dietrich Siegl, Unterwegs mit, Dreharbeiten SOKO Donau

Menschenhandel, ob zum Zwecke der Prostitution oder der nahöstlichen Fronarbeit, ist Sklaverei. Und die gilt es natürlich auszurotten. Prostitution verbieten? Einmal abgesehen davon, dass die grassierende Verboteritis schön langsam nervt: Wie soll das exekutiert werden? Wo läge die Grenze zum Illegalen? Am Eingang des Laufhauses, Saunaclubs, Liebesdienerinnen-Appartements oder doch schon in der von Sugardaddy finanzierten Garconniere für die Studentin? Ein Verbot ist undurchführbar, da nicht zu kontrollieren – somit welt- und lebensfremd. Illegal arbeitende KörpervermieterInnen sind akut gefährdet. Ist das den Verbotsverfechterinnen unbekannt oder gleichgültig? Mehr Kontrolle? Von mir aus. Einbindung ins Sozialsystem? Natürlich. Verbot ? Lachhaft.

Renée Schroeder, Molekularbiologin: „Geht Staat nichts an“

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Renee Schroeder, Microbiologie

Ich bin gegen ein Verbot der Prostitution, solange diese auf Augenhöhe stattfindet, wenn es ein Deal ist zwischen einem Mann und einer Frau. Das gilt übrigens für beide Seiten, auch Männer prostituieren sich, worüber man selten spricht. Die Sexualität zwischen zwei Menschen geht den Staat nichts an. Viele Ehen sind auch nichts anderes als ein Geschäft. Das wahre Problem ist der Menschenhandel mit Frauen und Kindern.

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