Prag: Schwerkranker Drahtzieher im Machtspiel mit vielen Unbekannten

Prag: Schwerkranker Drahtzieher im Machtspiel mit vielen Unbekannten
Tauziehen um die neue Regierung in Prag. Präsident Zeman, der wichtigste Spieler, liegt aber auf der Intensivstation

Leblos sei er im Rollstuhl gehangen, als sie ihn vor Schloss Lany – dem Sommersitz tschechischer Präsidenten – in den Rettungswagen schoben: Die Gerüchtebörse in Prag vibriert vor Aufregung, seit Präsident Milos Zeman am Sonntag in die Intensivstation des Prager Militärkrankenhauses eingeliefert worden ist. Hängt doch am 77-jährigen Staatschef die Regierungsbildung nach den Parlamentswahlen vom Wochenende. Zeman muss dazu den Auftrag erteilen, es sei denn, er ist amtsunfähig. Dann übernimmt der Präsident des Parlaments.

Streit um Geheimhaltung

Doch dagegen wehrt sich die Präsidentschaftskanzlei derzeit verbissen: Von Amtsunfähigkeit sei keine Rede. Die Ärzte erklärten am Montag, Zemans Zustand sei stabil. Doch mit solchen dürren Auskünften wollen sich viele nicht mehr abfinden. Die Öffentlichkeit habe „ein Recht zu erfahren, wie ernst der Zustand des Präsidenten ist“, meint etwa ein führender tschechischer Jurist. Dass der Diabetiker Zeman seit Jahren schwer krank ist, im Rollstuhl sitzt und sogar Staatsbesuche nur noch in Hausschuhen absolviert, ist allgemein bekannt. Auch über eine Leberzirrhose wird berichtet.

Die Fäden in der Hand

Vorerst behält der als raffinierter Taktiker bekannte Zeman die Fäden in der Hand. Und das ist die einzige Hoffnung, an die sich Tschechiens Noch-Regierungschef Andrej Babis klammern kann. Der Unternehmer ist zwar mit seiner ANO-Partei nur auf Platz zwei gelandet, hat aber das Versprechen Zemans, dass er ihm den Auftrag zur Regierungsbildung geben will.

Noch Geschlossenheit

Prag: Schwerkranker Drahtzieher im Machtspiel mit vielen Unbekannten

Davon wollen sich die Wahlsieger, das konservative Parteibündnis Spolu, nicht irritieren lassen. Deren Kandidat für den Premierposten, Petr Fiala, seht bereit – und die drei Parteien des Bündnisses geschlossen hinter ihm. Zumindest vorerst, denn in der Vergangenheit haben die drei unschöne Konflikte ausgetragen, etwa über die Korruptionsskandale von Fialas ODS-Partei. Dazu kommt, dass Spolu für eine Regierung das andere Parteienbündnis dieser Wahl braucht: Es besteht aus der Piratenpartei und einer Gruppe unabhängiger Bürgermeister. Zumindest die Piraten stehen deutlich weiter links und haben klar gemacht, dass sie nicht nur als Mehrheitsbeschaffer dienen, sondern bei Ministerposten mitmischen wollen.

Unklar ist also, wie lange die Einigkeit der fünf Parteien, die gemeinsam regieren müssten, hält. Die Zeit könnte also für Babis arbeiten, mutmaßen Kommentatoren.

Ende der Kommunisten

Der wiederum hat keine Koalitionspartner in Sicht. Die Sozialdemokraten, sein bisheriger Partner, und die Kommunisten, die ihn stützten, sind nämlich beide aus dem Parlament geflogen. Das Ende zweier Parteien mit 100 Jahren Geschichte in Prag.

Eine Zeitenwende ist diese Wahl also auf jeden Fall. In welche Richtung aber, das ist auch für die prominente Politik-Expertin und frühere Regierungschefin der Slowakei, Iveta Radicova, völlig unklar. Die politischen Kräften müssten sich „verbünden“, meint sie im tschechischen Nachrichtensender CT24, „damit die politische Landschaft wieder verständlicher wird“.

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