Präsident Chávez ist tot

Revolution mit Licht und Schatten: Hugo Chávez hatte viele Gesichter - von der Symbolfigur zum gnadenlosen Machtpolitiker.

Jedes Mal, wenn sich Hugo Chávez zur Behandlung nach Kuba begeben hatte, waren sie da: die Schlangen in den Supermärkten, in denen sich die Leute mit Vorräten eindeckten. Denn wie sollte Venezuela nach Chávez aussehen? Aufstände, Straßenschlachten, Plünderungen? Unvorhersehbar.

Nun hat Hugo Chávez den Kampf gegen den Krebs endgültig verloren. Am 5. März um 16:25 verstarb der Staatspräsident im Alter von 58 Jahren. Dies teilte am Dienstag sein Stellvertreter Nicolas Maduro mit. Der Vize-Präsident bezeichnete den Tod des Politikers als "die tragischste und bedrückendste Information die wir unserem Volk mitteilen können". Tagsüber machte Venezuela noch die "Feinde des Staates" für die Erkrankung des Präsidenten verantwortlich. Maduro wird nun vorübergehend die Amtsgeschäfte übernehmen - in 30 Tagen sollen Neuwahlen stattfinden, heißt es von Regierungsseite.

Indes kündigten Venezuela, Argentinien und der sozialistische "Bruderstaat" Kuba eine dreitägige Staatstrauer an. Argentiniens Präsidentin Christina Kirchner reiste ebenso nach Venzuela wie ihr uruguayanischer Kollege Jose Mujica und Ecuadors Rafael Correa, auch Boliviens Staatschef Evo Morales wird in den nächsten Stunden erwartet. "Der Tod Hugos ist ein Verlust für das gesamte große Vaterland. Ein Revolutionär ist von uns gegangen", so Correa. Präsident Chavez hat die Herausforderungen und Sehnsüchte derjenigen Venezolaner angesprochen, die am verwundbarsten sind", strich UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Chavez' Einsatz gegen die Armut hervor (mehr zu den Reaktionen hier).

Venezuela trauert um Chávez

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Supporter of Venezuela's President Chavez stands a
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CHILE VENEZUELA CHAVEZ
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Supporters of Venezuela's President Hugo Chavez re
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A Dominican supporter of Venezuela's President Cha
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Peru's supporters of Venezuelan President Hugo Cha
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Young supporter of Venezuela's President Chavez st
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Supporters of Venezuela's President Hugo Chavez re

Regierung lässt Truppen aufmarschieren

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Venezuela's Vice President Nicolas Maduro arrives at the summit of the Union of South American Nations (UNASUR) in Lima, November 30, 2012. REUTERS/Enrique Castro-Mendivil (PERU - Tags: POLITICS)
Nach dem Tod lässt die Regierung nun Truppen aufmarschieren, um den Frieden zu sichern. "Das gesamte bolivarianische Militär und die nationale bolivarianische Polizei sind gerade dabei im gesamten Land aufzumarschieren, um unser Volk zu schützen und den Frieden zu garantieren", erklärte Maduro in einer Rundfunkansprache. Wie dasWall Street Journal berichtet, wird Maduro vorübergehend die Position Chávez' einnehmen. Nach dreißig Tagen müssen aber Neuwahlen abgehalten werden. Das ist in der Verfassung verankert.

Seit 1999 bewohnte Chávez den Präsidentenpalast Miraflores. Nicht ohne markige Sprüche, nicht ohne Kritik, nicht ohne den Hauch von Größenwahn, wie Kritiker ihm vorwarfen. Seine Polemik machte ihn weltberühmt, etwa als er 2006 den früheren US-Präsidenten George W. Bush vor der UNO-Vollversammlung einen „imperialistischen Teufel“ nannte. Der Neoliberalismus und die USA – des Commandante liebster Feind. Freunde hingegen waren die Bruderstaaten, besonders Kuba. Für die engen Bande zu Fidel Castro gab es im Gegenzug Unterstützung aus Venezuelas Ölmilliarden. Auch zum Iran pflegte Chavez gute Kontakte – mit Argusaugen von den USA beobachtet.

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A supporter of Venezuelan President Hugo Chavez dr
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German Chancellor Angela Merkel walks alongside Ve
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Libya's leader Muammar Gaddafi greets Venezuelan P
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Worker carries bag of plaster ready to be distribu
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NICARAGUA GOVERNMENT
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A poster depicting Venezuela's Hugo Chavez is disp
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Venezuelan President Hugo Chavez attends a mass to

„Soldat des Volkes“

Für Chávez’ Anhänger war er der Wohltäter der Armen, der den „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ umsetzte. „Ich bin der Soldat des Volkes“, so sein Mantra; in den ärmlichen Barrios hatte Chávez seine treuesten Anhänger. Mit Öleinnahmen und Verstaatlichungen finanzierte er Alphabetisierungskampagnen, Sozialprogramme, baute Spitäler und Schulen. Mit Erfolg: Die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums wurde unter Chávez nachweislich gerechter.

Durch mediale Omnipräsenz – per Gesetz durch Mindestsendezeiten gesichert – setzte sich Chávez nachhaltig in den Köpfen fest. Jede Woche kam er mit seiner eigenen TV-Show „Alo Presidente“ in Venzuelas Wohnzimmer, beantwortete Fragen und schwang stundenlange Reden, mitunter begleitet von Schimpftiraden und musikalischen Darbietungen.

Gepflegte Feinde

Doch für seine Kritiker, die er spöttisch „die Abgemagerten“ nannte, war Chávez der machthungrige Autokrat, der Familienmitglieder in Posten hievte und rigoros gegen Kontrahenten vorging.

Seine Feindschaften erarbeitete sich Chávez hart: 2002 überstand er zunächst einen Generalstreik und in der Folge einen Putsch; bei den folgenden Tumulten starben Dutzende Menschen. Doch Chávez saß dank seiner Palastgarde nach nur 48 Stunden wieder im Sattel.

Zwei Jahre später überlebte das politische Stehaufmännchen ein Referendum über seine Amtsenthebung. 2007, ein Jahr nach seiner Wiederwahl unternahm der Commandante einen ersten Versuch, sich per Volksentscheid für unbegrenzt wählbar zu machen. Da es beim ersten Mal nicht klappte, ließ Chávez 2009 die Bevölkerung noch einmal abstimmen – und gewann. So konnte er 2012 erneut antreten. Seine neue Amtszeit konnte Hugo Chávez nun nicht mehr antreten.

Zur Person

Hugo Rafael Chávez Frias wurde am 28. Juli 1954 im Bundesstaat Barinas als Sohn eines Dorfschullehrers geboren. Ursprünglich wollte er Maler werden, ging dann aber zur Armee, wo er auch als Fallschirmjäger diente. Sein Studium der Politikwissenschaft führte er nicht zu Ende.

Chávez war zwei Mal verheiratet und wurde zwei Mal geschieden. Er hatte vier Kinder und zwei Enkelkinder.

Der 50 Meter hohe Schrein in Venezuelas Hauptstadt Caracas war ein Herzensanliegen von Hugo Chávez. Um 140 Millionen Dollar neu gebaut, um den mit Gold und Perlen verzierten Sarg des südamerikanischen Unabhängigkeitshelden Simon Bolivar zu beherbergen. Jenes Idols, das Anfang des 19. Jahrhunderts die Unabhängigkeitsbewegung gegen die spanischen Kolonialherren anführte und seither in mehreren südamerikanischen Ländern als Nationalheld gilt. Und Chavez wusste genau: Bolivar war ursprünglich Venezolaner.

Die sterblichen Überreste Bolivars waren 2010 exhumiert worden. Lange war nicht klar, ob es sich bei der Leiche tatsächlich um jene des verehrten Befreiungskämpfers handelte. Erleichtert stellte Hugo Chávez fest: „Vater, Du bist hier bei uns, Du bist es.“

Der Präsident bewunderte Bolivar seit seiner Jugend wie eine Ikone. Er selbst sah sich auch als dessen Nachfolger. Von Venezuela sprach Chavez als „Bolivarische Republik“ mit Linksnationalismus, einem geeinten Südamerika und gerechter Verteilung als Maximen. „Bolivarismus“ als Doktrin.

Putsch

Am 24. Juli 1983, dem 200. Geburtstag des Freiheits-Idols gründete Chávez, damals junger Oberstleutnant, seine paramilitärische „Movimiento Bolivariano Revolucionario 200“-Bewegung. Dieses subversive Konglomerat führte er 1992 zu einem Putschversuch gegen den sozialdemokratischen Präsidenten Carlos Andres Perez, mit dem der Neoliberalismus in Venezuela Einzug gehalten hatte.

Doch Chávez’ Putsch misslang, er landete für zwei Jahre im Gefängnis – nicht ohne zuvor noch im Fernsehen zu verkünden: Gescheitert sei man nur vorläufig. Chavez, der seit dem Putschversuch den Beinamen „Hurricane Hugo“ trug, trat Jahre später auf demokratischem Wege das Amt des Präsidenten an. Und er vergaß nicht das Erbe Bolivars: Wann immer ein Säulenheiliger beschworen werden musste, kam der „Libertador“ ins Spiel. Mit den Einnahmen des Ölsektors setzte Chávez in Bolivars Tradition immer wieder Sozialprogramme für die Armen im Land durch. Und so werden nun viele Venezolaner Chávez verehren, wie er zuvor Bolivar: „Du lebst und wirst immer weiter leben in unserem Volk“.

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