Hätte die Staatsanwaltschaft nicht massiv gepfuscht, würde in Portugal erst wieder 2026 gewählt und Antonio Costa hätte noch zwei weitere Jahre Zeit, an seinem Erbe als Regierungschef zu arbeiten. Hätte, hätte, Fahrradkette, wie man in Deutschland sagt. Denn die Staatsanwaltschaft hat massiv gepfuscht und den sozialistischen Regierungschef im November der Korruption beschuldigt. Woraufhin dieser tat, was anderswo undenkbar wäre: Er trat sofort zurück.
Zwar mussten die Strafverfolger tags darauf eingestehen, dass Costa nur aufgrund eines Transkriptionsfehlers in den Ermittlungsakten gelandet war, doch da war es bereits zu spät. Vorgezogene Neuwahlen wurden verkündet – und Portugal könnte nun vor einem Machtwechsel stehen. In den Umfragen liegen Costas, nunmehr von dem Ökonomen Pedro Nuno Santos angeführte Sozialisten (PS) und das konservative Wahlbündnis Alianza Democrática (AD) von Luís Montenegro mit je rund 30 Prozent in etwa gleichauf – mit leichten Vorteilen für die Rechtskonservativen.
Durchwachsene Bilanz
Obwohl sich die wirtschaftliche Lage in den vergangenen Jahren klar gebessert hat, gehört Portugal immer noch zu den ärmsten Ländern Westeuropas. Zwar ist es Costa seit seinem Amtsantritt 2015 gelungen, Portugal aus den unruhigen wirtschaftlichen Krisenzeiten zu führen. Trotz anfänglicher Bedenken aus Brüssel führte er das Land aus dem europäischen Schutzschirm und machte es wieder unabhängig von den harten Austeritäts- und Sparauflagen der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Gleichzeitig gelang es den Sozialisten aber nicht, Probleme wie die anhaltend hohe Jugendarbeitslosigkeit und die ebenfalls grassierende Wohnungsnot, insbesondere in der Hauptstadt Lissabon, in den Griff zu bekommen.
Der Mindestlohn in Portugal liegt bei 760 Euro, die Durchschnittspension bei 520 Euro und fast 20 Prozent der Portugiesen leben an der Armutsgrenze. Während die Arbeitslosigkeit insgesamt bei 6,6 Prozent liegt, sind 23,9 Prozent der Jugendlichen ohne Job. Weil Tourismus-Appartements lange gefördert wurden, stiegen die Mieten. Das Ergebnis: 700.000 Wohnungen stehen heute leer, weil sie sich niemand leisten kann.
Rechtes Erstarken
Wer auch immer nach der Wahl am Sonntag vorne liegt, wird – zumindest – einen Koalitionspartner brauchen. Das nährt wiederum die Sorge vor einem Rechtsruck auf der linken Seite der iberischen Halbinsel, denn die größten Zugewinne werden der rechtspopulistischen Partei Chega (dt.: Genug, Anm.) von André Ventura vorhergesagt: Sie könnte sich auf 20 Prozent verdreifachen.
Montenegro betont, sich auf keinen Fall von den Rechtspopulisten stützen zu lassen, doch das könnte Makulatur sein, wenn nach dem Urnengang der Sessel des Premiers winkt. Damit versucht auch Nuno Santos, bis zuletzt Wählerinnen und Wähler auf seine Seite zu ziehen. Doch überraschte er zuletzt in einer TV-Debatte selbst seine Anhänger: Sollte seine PS nicht gewinnen, werde er eine AD-Minderheitsregierung tolerieren.
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