Pornos und „Basic Instinct“ im Londoner Parlament

Westminster wird schon „Pestminster“ (Plage-Westminster) genannt
Konservative sprengen moralische Grenzen: Einer schaut während der Debatten Pornos, andere halten Abgeordnete für Sharon Stone.

Für den konservativen Premier Boris Johnson bedeutet das wieder einmal Ärger, auch wenn diesmal nicht wegen des Skandals um Lockdown-Partys im Regierungssitz.

Eine Enthüllung Mitte der Woche sorgt für Aufregung. Im Parlament in London mit Handys zu hantieren, um am Laufenden zu bleiben, gehört für Politiker zum Alltag. Aber ein vorerst ungenannter Abgeordneter von Johnsons Tory-Partei soll im Unterhaus-Sitzungssaal laut einer Kollegin und Sitznachbarin sein Mobiltelefon ganz anders eingesetzt haben: zum Ansehen von Porno-Material.

Porno-Parlamentarier

Auch ein anderes Mal wurde er laut Medien mit Porno am Handy ertappt. Die Partei nennt das „völlig inakzeptabel“ und untersucht die Affäre. Auch Johnson will sich keine Blöße geben und betont, solches Benehmen sei ein Entlassungsgrund. Schlagzeilen reichen von unverhüllter Kritik wie „Tory Porno-Schande“ bis zum zweideutigen „Porno-Parlamentarier bloßgestellt“.

Schon vor dem Vorfall tobte eine Debatte über Sexismus und Frauenfeindlichkeit in der britischen Politik. Am Wochenende kam heraus, dass ein nach dem #MeToo-Skandal etabliertes Gremium 70 Beschwerden wegen mutmaßlicher sexueller Belästigung durch 56 namentlich nicht genannte Mandatare erhalten hat, darunter drei Regierungsmitglieder. In einem Fall soll es um strafrechtlich relevante Handlungen gehen. Das Unterhaus plant eine Überprüfung der Arbeitskultur.

Beine überschlagen

Die Mail on Sunday berichtete, übrigens auch im falschen Ton, über die „politische Kultur“: Einige nicht namentlich genannte Tory-Abgeordnete werfen Angela Rayner, Vize-Chefin der oppositionellen Labour Partei vor, sie benehme sich wie Sharon Stone in „Basic Instinct“ und überschlüge gezielt ihre Beine, um Johnson bei Parlamentsauftritten abzulenken.

Pornos und „Basic Instinct“ im Londoner Parlament

Angela Rayner

Rayner konterte die „verzweifelten, perversen Verleumdungen“ und klagte, „Frauen in der Politik sind täglich mit Sexismus und Misogynie konfrontiert“. Auch Johnson tadelte die anonymen Parteikollegen und sprach der politischen Gegnerin Unterstützung zu: „So sehr ich in fast allen politischen Fragen anderer Meinung bin, respektiere ich sie als Parlamentarierin und bedauere die anonym gegen sie gerichtete Frauenfeindlichkeit“.

Briten scheinen laut einer YouGov-Umfrage wenig überrascht; 72 Prozent sehen in der Politik „etwas“ oder „sehr viel“ Sexismus. Das Portal Politico schreibt, dass sich seit einem Sexismusskandal 2017 in „Pestminster“ (Plage-Westminster) nichts geändert habe: „Wir machen alle paar Monate die gleiche Scharade von Schock über Enthüllungen, leeren Versprechungen von Nulltoleranz und Reformen zum Mitarbeiter-Schutz durch.“

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