Polnische Possen beim EU-Gipfeltreffen
Es ist ja nicht das erste Mal, dass Polen als Störenfried bei einem EU-Gipfel auffällt und die Keule der Blockade herauszieht. Bei der Wiederwahl von Ratspräsident Donald Tusk sorgte Ministerpräsidentin Beata Szydło mit ihrem Nein zu Tusk und in der Folge mit dem Boykott des Schlussdokumentes für Kopfschütteln.
Vor zehn Jahren, beim Treffen der Staats- und Regierungschefs Ende Juni 2007, spielte sich in Brüssel erstmals eine skurrile polnische Posse ab, die heute noch EU-Akteuren in Erinnerung ist.
Das machtbewusste Zwillingspaar Lech und Jarosław Kaczyński führte damals in Warschau die politischen Geschäfte. In den EU-Hauptstädten rangen die Regierungschefs um die Eckpunkte für den neuen EU-Reformvertrag. Beim Gipfeltreffen im Juni sollte der neue Gesetzesrahmen stehen.
Doch Polen legte sich quer. Das Zwillingsduo agierte zweigleisig. Ministerpräsident Jarosław Kaczyński fuhr nicht selbst zum EU-Gipfel, sondern schickte seinen umgänglicheren Bruder Lech Kaczynski zum Krisengipfel, während er in Warschau die Fäden zog und Regie führte. In der EU sorgte das für Verwunderung, weil Polens Verfassung die Teilnahme des Premiers vorschreibt.
Worum ging es damals konkret? Polen wollte gemäß seiner Größe mehr Einfluss bei EU-Entscheidungen und lehnte die vorgeschlagene Stimmgewichtung im Rat ab.
Deutsche Kriegsschuld
Absurd war Polens Forderung an die amtierende deutsche EU-Ratspräsidentschaft, bei der Berechnung der Stimmgewichte auch die Kriegsschuld Deutschlands für Millionen von Toten zu berücksichtigen. „Hätte Polen nicht die Jahre 1939 bis 1945 durchgemacht, wäre es heute ein Staat mit einer Bevölkerung von 66 Millionen, wenn man sich auf demografische Kriterien beruft“, verkündete Jarosław Kaczyński kurz vor Gipfelbeginn.
Während des Zweiten Weltkrieges, der mit einem deutschen Überfall auf Polen begann, waren etwa 6,5 Millionen Menschen getötet worden, darunter drei Millionen polnische Juden. Das entspricht einem Anteil von einem Viertel der Vorkriegsbevölkerung. Polen hat derzeit rund 39 Millionen Einwohner.
Während Präsident Lech Kaczyński in Brüssel am Konferenztisch saß und mit der Abreise drohte, erklärte Jarosław zur besten Sendezeit vom fernen Warschau aus, dass Polen gegen alle Beschlüsse ein Veto einlegen werde. Spektakulär reagierte darauf Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die EU werde auch ohne die Zustimmung Polens den Rahmen für den neuen EU-Vertrag verabschieden. Damit setzte sie ein klares Stoppzeichen.
Eine Nacht lang wurde dann verhandelt, um einen Kompromiss zu erzielen. Dabei kam Polen die Solidarität der anderen Visegrád-Länder zugute, sie verhinderten, dass Polen isoliert blieb.
Heute ist das nicht mehr der Fall. In Brüssel sagen EU-Diplomaten, dass Polen sich mit seinen politischen Eskapaden selbst ins Eck manövriert und Destruktionspolitik wohl weiter betreiben werde. Jeden EU-Beschluss, der einstimmig gefällt werden muss, kann Polen weiterhin blockieren. Vor allem Budget-Entscheidungen. Polen ist der größte Empfänger von EU-Förderungen.
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