Politologe: "Trumps Anhänger misstrauen allen"

Der US-Politologe Daron Shaw erklärt das Phänomen Trump.
Politologe: "Trumps Anhänger misstrauen allen"
Daron Shaw
Der Politologe Daron Shaw ist Experte für die Beobachtung von Wahlkämpfen. An der Universität von Austin, Texas, untersucht er die tieferliegenden Motive der Wähler und langfristige politische Trends. Mit dem KURIER sprach er in Wien über den laufenden Wahlkampf und das Phänomen Donald Trump.

KURIER: Wie und mit welchen Politikern lässt sich Donald Trump vergleichen?

Er liegt auf derselben Linie wie alle europäischen Rechtspopulisten oder der EU-Austritts-Bewegung in Großbritannien. Es gibt bei großen Wählergruppen, die in den letzten Jahrzehnten die Verlierer der wirtschaftlichen Entwicklung waren, eine starke Ablehnung der herrschenden Eliten. Die Grundüberzeugung ist, dass sämtliche Regierungen korrupt und inkompetent sind und jemand kommen muss, um einfach einmal alles auf den Kopf zu stellen.

Was sind die grundlegenden Motive für diese Haltung?

Es gibt vier wesentliche Motive. Erstens, die Überzeugung, dass das ganze politische System, also die Demokratie, kaputt ist. Zweitens, dass den Bürgern ihre Macht in der Demokratie gestohlen worden ist. Drittens das tiefsitzende Misstrauen gegen alle Eliten und Autoritäten, egal, ob das Politiker, Medien oder Experten und Wissenschaftler sind. Viertens das sich Klammern an eine nationale Identität. Eine der wichtigsten Motive für Trump-Wähler ist Patriotismus.

Was macht das Phänomen Trump so besonders?

Ein Phänomen ist noch stärker ausgeprägt als bei anderen Populisten: Seine Fans misstrauen allen Autoritäten. Daher geht auch Kritik an Trumps Fehlern ins Leere. Es ist quasi egal, was er sagt. Denn wenn jemand seine Unwahrheiten aufdeckt, glauben das die Trump-Anhänger ohnehin nicht. Außerdem geht es bei Trumps Aussagen nicht um die politischen Fakten. Es ist weder wichtig, ob er tatsächlich eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen will oder Strafzölle für chinesische Waren einführen. Das alles ist nur Ausdruck für eine grundsätzliche Haltung: Dass die da oben korrupt und unfähig sind – und er der einzige, der sich traut, das auszusprechen. Das ist seine Verbindung zu den Wählern. Das macht ihn stark.

Warum hat sich die politische Landschaft so radikalisiert?Aufgrund der Verschiebungen der Wahlbezirke ist die große Mehrheit dieser Bezirke heute klar demokratisch oder republikanisch. Der parteiinterne Konkurrenzkampf zwischen den Kandidaten hat sich also verschärft. Das macht deren Positionen und die Parteien radikaler. Die Wähler selbst sind weiter eher in der politischen Mitte zu finden. Was aber viel stärker geworden ist, ist die Ablehnung der anderen Partei. Man muss gar nicht so radikal sein wie der Kandidat der eigenen Partei, aber man schätzt es, wenn er die andere Seite attackiert. Daher sind die USA immer klarer politisch gespalten.

Aber viele Republikaner lehnen Trump doch ab?Ja, aber dieses Phänomen wird schwächer. Wie ich die jüngsten Umfragen interpretiere, sind es inzwischen weniger als zehn Prozent der republikanischen Wähler, die Trump offen ablehnen. Hillary Clinton kämpft weniger gegen offene Ablehnung als gegen mangelnde Begeisterung. Es sind vor allem die jungen Wähler, jene, die sich zuvor für den linken Bernie Sanders engagiert haben, die Clinton bisher nicht für sich gewinnen konnte. Bei den unter Dreißigjährigen liegt sie bei weniger als 20 Prozent. Ob sie diese Wähler gewinnen kann, könnte die Wahl entscheiden.

Was ist Hillarys Schwäche?Es fehlt ihr eine klare Botschaft. Ich zumindest kann keine erkennen. Clinton hat es zuletzt mit der wachsenden Ungleichheit zwischen Arm und Reich versucht. Damit aber kann sie als ausgewiesenes Mitglied des Establishments nicht punkten.

Kommentare