30 bis 40 Frauen melden sich pro Woche
Für die Frauen bedeutet es, dass immer mehr illegal und unter gefährlichen Bedingungen abtreiben, sagt Urszula Bertin im Gespräch mit dem KURIER. Die 53-Jährige engagiert sich bei "Ciocia Basia" – und berichtet von 30 bis 40 Frauen, die sich pro Woche melden. Nicht immer geht es um einen Abbruch. "Viele wollen einfach reden, brauchen jemanden, der ihnen zuhört und versteht, wovon sie sprechen oder ihre Fragen beantwortet." Mal geht es darum, wo sie Antibabypille bekommen oder überhaupt welche Rechte sie haben. Wer sich bei ihnen meldet? "Es betrifft Frauen aus allen Schichten." Als Organsation im Ausland genießen sie deren Vertrauen, weil sie nicht wie in Polen verfolgt oder bedroht werden. Dort ist das Informieren über Abbrüche zwar legal, aber der Einfluss von Kirche und Regierung ist groß.
Urszula Bertins Arbeit geht weit über die Gespräche und Dolmetschen hinaus. Sie hilft bei der Organisation der Reise, vermittelt ein in Deutschland verpflichtendes Beratungsgespräch und eine Klinik mit Ärzten, die sie gut kennen – "vertrauen ist sehr wichtig", sagt Bertin. Und berichtet von Medizinern, die versucht haben, die Notlage der Frauen auszunutzen und bis zu 800 Euro verlangten. Normalerweise kostet der Eingriff, je nachdem ob er medikamentös oder chirurgisch ist, zwischen 250 und 400 Euro. Wenn die Frauen das nicht bezahlen können, übernimmt "Ciocia Basia" die Kosten. Die Organisation ist auf Crowdfunding angewiesen.
Bertin arbeitet ehrenamtlich in dem Kollektiv. Was sie antreibt? "Wut". "Ich bin 53 und werde keine Kinder mehr bekommen, aber, wenn ich an Freundinnen, Kolleginnen in Polen denke, die darüber nicht entscheiden dürfen, macht mich das sehr wütend. Ihre Rechte werden mit Füßen getreten. Frauen sollten die Möglichkeit haben, Informationen darüber zu bekommen, welche Optionen sie haben."
Proteste ebben nicht ab
Dafür gehen seit Monaten zehntausende Frauen in Polen auf die Straße, PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski sprach von einem "Angriff auf den polnischen Staat". Ultrarechte Gruppen, Nationalisten und Anhänger der erzkonservativen polnischen Kirche stellten sich ihnen bei Gegendemos in den Weg. Doch der "Strajk Kobiet" (Streik der Frauen) geht längst über die Grenzen des Landes hinaus. Auch in Berlin demonstrierten zuletzt Tausende. Polen sind hier die zweitgrößte ethnische Minderheit, gleichzeitig hat hier Julia Przylebska, Frau des polnischen Botschafters in Berlin, einen Wohnsitz. Sie hat als Vorsitzende des Verfassungsgerichts die Verschärfung des Abtreibungsrechts vorangetrieben.
Urszula Bertin war ebenfalls bei den Protesten in Berlin dabei. Dass sich bald etwas ändert, glaubt sie nicht. "Es ist eine Revolution in Gange, aber in die andere Richtung", sagt sie und erzählt vom gesellschaftlichen Backlash, den die PiS-Partei mit ihrem Verbündeten, der Kirche, vorantreibt. Da auch keine Wahlen anstehen, wird die Regierung ihre Arbeit weiter so fortsetzen. Dennoch sei es für Bertin wichtig, ein Zeichen zu setzen: "Man soll unsere Wut sehen und dass wir diese Gesetze nicht einfach hinnehmen." Solange sich dies nicht ändert, wird das Telefon bei "Tante Barbara" wohl weiter klingeln.
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