Pläne zu Doppelpässen "werden versanden"

ÖVP-FPÖ-Regierung will Doppelpässe für Südtiroler.
Uni-Professor Günther Pallaver ortet generell keine große Begeisterung.

Die Oppositionspartei "Süd-Tiroler Freiheit", deren Ziel die Loslösung von Rom ist, will die Doppelstaatsbürgerschaft und den Doppelpass unbedingt. Heute, Freitag, trifft ein Abgeordneter der Partei FPÖ-Infrastrukturminister Norbert Hofer.

Der KURIER sprach mit Günther Pallaver, Professor an der Universität Innsbruck und selbst Südtiroler, über die Vorschläge der neuen Regierung.

Pläne zu Doppelpässen "werden versanden"
Univ. Prof. DDr. Günther Pallaver

KURIER: Herr Professor, wie reagieren Südtiroler auf dieses Offert Wiens?Günther Pallaver:Es gibt keine Umfrage, es gab eine Debatte im Radio, zu der die Bürger zugeschaltet waren. Sie reagierten skeptisch. Auffällig war, dass Bischof Ivo Muser sich indirekt gegen diese Maßnahme ausgesprochen hat. Die Debatte über die Doppelstaatsbürgerschaft solle die Südtiroler Gesellschaft "nicht spalten, nicht alte Wunden und Vorurteile aufreißen und das Klima vergiften". Der Bischof ist eine wichtige Stimme. Auch der Vertreter der Südtiroler Volkspartei im Senat hat vor einer überschwänglichen, nationalistischen Debatte gewarnt und sich für einen Diskurs im europäischen Geiste eingesetzt. Es gibt keine große Welle der Begeisterung. Außer Parteien, die das Thema propagieren und in einem Naheverhältnis zur FPÖ stehen, das sind in meiner Heimat "Die Freiheitlichen" und die "Süd-Tiroler Freiheit".

Landeshauptmann Arno Kompatscher hat sich skeptisch geäußert. Ist Österreichs Vorschlag eine Luftnummer?

Es geht derzeit auch um eine interne Südtirol-Debatte. Es gibt autonomistische, Autonomie-skeptische und sezessionistische Parteien. Im Zuge des Wettbewerbs dieser Lager muss die Südtiroler Volkspartei den sezessionistischen Parteien etwas entgegensetzen und die Autonomie noch mehr verbessern. Die SVP will keinen Konflikt herbeiführen.

Sehen Sie die Gefahr, dass alte Konflikte zwischen den Volksgruppen in Südtirol und zwischen Italien und Österreich wieder aufbrechen könnten?

Ich sehe zwei potenzielle Konfliktebenen: Eine innerhalb Südtirols zwischen deutschsprachiger und italienischsprachiger Bevölkerung. Mit der zusätzlichen Staatsbürgerschaft Österreichs würde es eine weitere Differenzierung in der Bürgerschaft Südtirols geben. Das regt die Italiener maßlos auf. Für ein friedliches Zusammenleben, für das man viele Jahre gebraucht hat, sind Österreichs Vorschläge nicht förderlich. Der zweite mögliche Konflikt ist das Verhältnis zwischen Österreich und Südtirol, weil die Südtiroler gegenüber österreichischen Staatsbürgern privilegiert würden. In Nord-Tirol gibt es seit Jahren kritische Stimmen, die Südtiroler wären bevorzugt. Und dann geht es noch um die Verhältnismäßigkeit.

Was meinen Sie mit Verhältnismäßigkeit?

Was würden Südtiroler im Vergleich zu den anderen Unionsbürgern mehr bekommen? Sie könnten an Nationalratswahlen und Landtagswahlen teilnehmen, sie könnten Bürgermeister, Richter, Staatsanwalt, Polizist werden oder in das Bundesheer eintreten. (In Italien ist die Wehrpflicht abgeschafft; es gibt ein Berufsheer, Anm.). Will Österreich ein Gesetz verabschieden und damit in Kauf nehmen, das Klima im Land zu vergiften? Mir ist der Friede im Lande lieber als die Doppelstaatsbürgerschaft.

Wird das Gruber-De-Gaspari-Abkommen (Basis der Autonomie Südtirols) von 1946 dadurch beeinflusst?

Das Abkommen wird dadurch nicht berührt. Aber: Wenn nur wenige Südtiroler den Doppelpass beantragen würden, könnte Italien die These vertreten, dass die Bindung der Südtiroler zu Österreich kaum noch vorhanden ist, Italien könnte das auf politischer Ebene ausspielen. Vor dieser Entwicklung warnen sehr viele.

Könnte die Doppelstaatsbürgerschaft die Zugehörigkeit der Südtiroler zu Österreich stärken?

Das bezweifle ich. Das ist ein Wahlkampfthema. Die Südtiroler Volkspartei konnte sich nicht völlig zurückziehen. Österreich will den Doppelpass nur im Einvernehmen mit Italien regeln. Das schwächt die Sache. Ich gehe davon aus, dass die Pläne versanden werden.

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