So berühmt wie jene Worte, die das Konklave beenden, ist der Ruf nicht. Aber er ist nicht weniger machtvoll: „Extra omnes! – „Alle hinaus!“ Wenn die Formel durch die Sixtinische Kapelle hallt, dann hat die Papstwahl begonnen.
Der Zeremonienmeister führt alle, die nicht zur Wahl des nächsten Papstes berechtigt sind, aus den heiligen Hallen – und versiegelt das Tor mit einem gekreuzten Seidenband. Zurück bleiben alle Kardinäle unter 80 Jahren, die den nächsten Bischof von Rom und obersten Hirten über 1,4 Milliarden Katholiken auf dem Globus küren – in streng geheimer Wahl im abgeriegelten Konklave-Bezirk. Jetzt spätestens erschließt sich die Herkunft des Namens: Das lateinische Conclave steht für ein versperrbares Gemach, es leitet sich von „cum clave“ ab – „mit dem Schlüssel“. Die Kardinäle sind also, etwas profaner formuliert, eingesperrt.
Es sind Rituale wie dieses, die die Papstwahl auch für Menschen, die gemeinhin kaum Anknüpfungspunkte zum Glauben oder der katholischen Kirche haben, zu einem Faszinosum machen. Das Konklave ist ein Spektakel, es ist der perfekte Stoff für Bücher, Filme und Verschwörungstheorien.
Streng isoliert
Die katholische Kirche beweist in der Papstwahl, dass sie sich auf Inszenierung versteht. Wie auch Königshäuser hat sie ihr Tun mystisch aufgeladen; nicht zum bloßen Selbstzweck, sondern weil ihr dies gerade in früheren Zeiten half, Würde und Macht zu demonstrieren. Umso spannender ist, dass sich hinter den Ritualen höchst weltliche Beweggründe verbergen.
Die Papstwahl selbst durchlief in den Jahrhunderten mehrere Reformen. Die ersten Bischöfe von Rom, die in der Tradition von Apostel Petrus standen, wurden wohl noch von Klerus und den Laien der Kirchengemeinde gemeinsam bestimmt. Das erste Konklave, das in Ansätzen dem heutigen gleicht, geht auf Papst Gregor X. zurück, der am 16. Juli 1274 mit seinem Dekret „Ubi periculum“ festlegte, dass die Kardinäle ihre Wahl von der Außenwelt isoliert vorzunehmen hätten. Bis heute bemüht sich der Vatikan, dieser Vorgabe gerecht zu werden: Alles, auch die Unterkünfte, ist hermetisch abgeriegelt; Fenster und Türen sind versiegelt, Handys und Laptops ebenso wie Zeitungen oder Radios verboten, die Räume werden nach Wanzen durchsucht, Störsender angebracht.
Warum diese Geheimhaltung? Dazu gibt es mehrere Theorien – es ist anzunehmen, dass keine für sich alleine richtig oder falsch ist: So heißt es, dass die Kardinäle sich isolieren, um rein nach ihrem Gewissen „allein den Würdigsten zum Papst wählen“. Das Konklave soll sie von äußerer Einmischung schützen, auf die sich einst vor allem der Adel gut verstand.
Das längste Konklave im 13. Jahrhundert habe, heißt es, deshalb drei Jahre (!) lang gedauert, weil sich der König von Neapel ständig einmischte, um einen Papst nach seinem Geschmack zu erwirken. (Dass die Kardinäle in der Zeit der Sedisvakanz damals freien Zugriff auf die Reichtümer des Papstes hatten, könnte freilich auch eine Rolle gespielt haben.)
Als Österreich widersprach
Dem gegenüber steht eine Regelung, die ab dem 16. Jahrhundert einigen katholischen Nationen sogar ein Veto-Recht zusicherte, das von ihrem Kardinal vorgebracht werden musste. Dieses Veto konnte nur einmalig vor einem konkreten Wahlgang gegen genau einen Kandidaten vorgetragen werden. Man musste es also taktisch klug einsetzen. Es verwundert kaum, dass es die selbstbewussten Habsburger waren, die das Veto als Letzte nutzten: Im Jahr 1903 übte der Bischof von Krakau sein Veto im Namen Österreichs aus. Man verhinderte so die Wahl von Kardinal Mariano Rampolla und verhalf Giuseppe Sarto auf den Stuhl Petri – der das Veto als Pius X. postwendend abschaffte.
Andere Erzählungen legen nahe, dass die Kardinäle hinter verschlossenen Türen beraten, weil sich das Volk so raschere Entscheidungen erhoffte: Beim Rekord-Konklave im 13. Jahrhundert in Viterbo soll die entnervte Bevölkerung gar das Dach des Gebäudes entfernt haben. Im Wechselbad von Hitze, Kälte und Regen ging es mit der Einigung dann plötzlich schnell ... Ähnliche Erzählungen gibt es aus 1276, als der Senator von Rom die Essensrationen reduzierte, bis einige Kardinäle erschöpft zusammenbrachen. Einige Jahrzehnte davor einigte man sich gar erst, als einer der Kardinäle entkräftet verstarb.
Heute ist der Ablauf humaner und präziser geregelt. So treten die Kardinäle in rascher Abfolge zu den Wahlgängen zusammen. Nach 34 erfolglosen Runden ohne Zweidrittelmehrheit ist eine Stichwahl zwischen den zwei Stimmenstärksten möglich. Am Ort der Abstimmung, in der Sixtinischen Kapelle, dürfen die Kardinäle nicht debattieren – hier gilt Schweigepflicht. (Beten ist erlaubt.)
Nur, wer zur Wahl an die Urne tritt, um seinen Wahlzettel (mit verstellter Schrift) einzuwerfen, spricht: „Ich rufe Christus, den Herrn, der mich richten wird, zum Zeugen an, dass ich den wähle, von dem ich glaube, dass er nach Gottes Willen gewählt werden muss.“ Das Prozedere findet unter Michelangelos „Jüngstem Gericht“ statt, auch das könnte seine Wirkung nicht verfehlen. Dass der Papst derart gewählt werden muss, ist übrigens nicht explizit erforderlich. Er kann auch durch Akklamation – durch eine spontane Einigung, die sich im Beifall aller äußert – ernannt werden, so „als ob“ die Kardinäle „vom Heiligen Geist inspiriert“ seien. Das kam selten vor.
Schönborn-Spekulationen
Rund 135 Kardinäle sind diesmal wahlberechtigt, zwei haben krankheitsbedingt abgesagt. Sie müssten den Papst nicht aus ihrer Mitte wählen. Mindestanforderung: Er muss ein Mann und katholisch getauft sein, auch die Weihe sollte er erhalten haben. Grund genug für italienische Medien, den emeritierten Erzbischof von Wien, Christoph Schönborn, als Kandidaten ins Spiel zu bringen – obwohl er altersbedingt nicht am Konklave teilnimmt. (Schönborns Reaktion: „Reine Spekulation.“)
Ist der Papst ernannt, wird er gefragt, ob er die Wahl annimmt. Ein Formalakt – bisher sind kaum Kandidaten überliefert, die ablehnten. Alle Kardinäle versprechen dem Papst den Gehorsam, bevor das Te Deum gesungen wird. Dann wird dem Papst sein Gewand samt pompöser Ausstattung angelegt. Franziskus soll dies in der Ankleidekammer mit dem Satz „Ich dachte, der Karneval wäre vorbei“ quittiert haben. Ist die Anekdote nicht wahr, so ist sie gut erfunden.
Währenddessen erfährt die Weltöffentlichkeit vom neuen Papst. Weißer Rauch steigt über dem Petersdom auf. Der Kardinalprotodiakon verkündet auf der Benediktionsloggia die berühmten Worte, unter denen der neue Papst vortritt: Habemus Papam.
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