Am Ende blieb nur ein Blechsalat übrig, drüben auf der ungarischen Seite. Dort hatten rund 700-DDR-Bürger ihre eigentlich kostbaren Trabis und Wartburgs einfach stehengelassen, als sie Hals über Kopf durch das plötzlich offene Grenztor nach Österreich flohen.„Man war unter absoluter Anspannung, in einem Überlebensmodus“, erinnert sich die ehemalige DDR-Bürgerin Simone Sobel 35 Jahre später an diesen 19. August 1989. „Angst habe er aber nicht gehabt, sagt ihr Mann Walter: „Wir sind wie in Trance rübergegangen und wurden getragen von der Masse von Menschen. Das war unbeschreiblich.“
Gemeinsam mit Staatsgästen wie Deutschlands Bundespräsident Frank Walter Steinmeier feierten die Sobels am Montag den Jahrestag ihrer Flucht – direkt am Grenzübergang, wo heute das Denkmal eines ungarischen Künstlers an die Ereignisse erinnert. „Attores“, Umbruch, heißt die Steinskulptur, in die auch ein Stück der Berliner Mauer eingefügt ist.
Plan des Kaisersohns
Eine „Volkswanderung in die Freiheit“, so beschreiben Teilnehmer heute das sogenannte „Paneuropäische Picknick“. Hinter dem seltsam unpassenden Titel verbarg sich ein Plan, den ursprünglich Otto von Habsburg, Sohn des letzten Kaisers von Österreich-Ungarn, gemeinsam mit ungarischen Oppositionellen ausgeheckt hatte.
Das Picknick war offiziell als Kundgebung am Eisernen Vorhang angekündigt und bei den ungarischen Behörden angemeldet. Man wolle für ein geeintes Europa demonstrieren, hieß es, und dabei das Grenztor unweit der ungarischen Stadt Sopron vorübergehend öffnen. In Wahrheit aber, wollte man mit der Aktion austesten, wie Ungarns kommunistisches Regime und auch der Große Bruder in Moskau auf eine Massenflucht in den Westen reagieren würde.
Ungarns Grenzpolitik war im Sommer 1989 längst nicht mehr so rigoros wie auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Die Anlagen zur Überwachung der Grenze waren großteils abgebaut, oder stillgelegt. Doch der Weg über die Grenze war weiterhin versperrt. Wachsoldaten waren postiert, vor allem um Bürger der DDR an der Flucht zu hindern.
Die machten ja im Sommer 1989 zu Zehntausenden Urlaub in Ungarn, das war ja für Ostdeutsche ohnehin der sonnige Süden. Diesmal aber dachte man am Plattensee nicht nur an Baden und Party, sondern auch an die Flucht in den Westen. Man war in Wartestellung, als plötzlich die Einladungen zum „Paneuropäischen Picknick“ per Flugzettel am Badestrand auftauchten - inklusive detailliertem Anfahrtsplan bis zum Grenztor.
Viele der DDR-Urlauber begriffen sehr schnell, was tatsächlich gemeint war. Sie machten sich auf den Weg, versammelten sich schließlich unmittelbar vor der Grenze. Es war gerade einmal ein Dutzend Ostdeutsche, die sich als erste zum noch schwer bewachten Tor vorwagten. Sogar als klar wurde, dass die ungarischen Grenzsoldaten sie einfach vorbeilassen würden, dauerte es noch eine Stunde, bis der Bann endgültig gebrochen war. Jetzt machten sich alle auf den Weg - auch die Familie Sobel: „Wir haben die Füße in die Hand genommen und sind gelaufen – dann waren wir drüben.“
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