Palästinenser-Raketen auf Tel Aviv offenbar irrtümlich abgefeuert

Schäden nach israelischem Gegenangriff in Gaza
Einen Monat vor der Parlamentswahl in Israel scheint die Waffenruhe wieder brüchig. Israel reagierte mit massiven Gegenangriffen.

Der Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinensern im Gazastreifen ist erneut gefährlich eskaliert. Nach dem ersten palästinensischen Raketenangriff auf die Küstenmetropole Tel Aviv seit dem Gaza-Krieg 2014 bombardierte Israels Luftwaffe in der Nacht auf Freitag rund 100 Ziele in dem Palästinensergebiet am Mittelmeer.

Die massive Reaktion Israels wird insofern hinterfragt, weil die israelische Armee davon ausgeht, dass die palästinensischen M-75- Raketen irrtümlich abgefeuert worden waren. Dies soll am Donnerstagabend bei Wartungsarbeiten in Gaza passiert sein, während eine ranghohe ägyptische Geheimdienstdelegation in der Stadt zu Gast war, berichten israelische Medien. Die Ägypter sollen sich verärgert gezeigt haben. "Ihr trefft euch mit uns und feuert gleichzeitig Raketen auf Tel Aviv?" wird ein Teilnehmer von der Jerusalem Post zitiert. Die ägyptische Geheimdienstdelegation sei noch am Donnerstagabend nach Gesprächen mit Hamas-Führern im Gazastreifen wieder abgereist. Bei den Gesprächen sei es darum gegangen, eine im vergangenen Jahr vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und den militanten Palästinenserorganisationen zu stärken. Diese war zuletzt zunehmend brüchig geworden.

Bei aller Massivität der israelischen Gegenangriffe wurde offenbar versucht, die Zahl der Todesopfer möglichst gering zu halten. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza wurden in Rafah im Süden des Küstenstreifens vier Menschen verletzt.

Militante Palästinenser im Gazastreifen haben allerdings die Raketenangriffe auf Israel fortgesetzt. Am Morgen wurden nach Armeeangaben vier Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert. In der Grenzstadt Sderot heulten Alarmsirenen. Auf einem Schulhof in der Stadt wurden nach Angaben der Stadtverwaltung Überreste einer Abwehrrakete gefunden. Insgesamt seien seit Donnerstagabend elf Raketen aus dem Gazastreifen abgefeuert worden, sagte ein israelischer Militärsprecher. Etwa die Hälfte davon habe die Raketenabwehr abgefangen.

Doch keine Rakete abgefangen

Am Abend hatten militante Palästinenser überraschend erstmals seit dem Gaza-Krieg 2014 zwei Raketen auf Tel Aviv abgefeuert. Es gab jedoch weder Sachschaden noch Verletzte. Die israelische Armee teilte mit, entgegen Medienberichten sei keines der Geschoße von der Raketenabwehr abgefangen worden. Eine der Raketen schlug nach Medienberichten auf offenem Gebiet ein und die andere brach offenbar noch im Flug auseinander.

Israels Militär machte die im Gazastreifen herrschende Hamas für die Angriffe verantwortlich. Die Hamas sowie die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad wiesen jedoch die Verantwortung für die Angriffe zurück.

Netanyahu unter Druck

Die neue Eskalation geschah weniger als einen Monat vor der Parlamentswahl in Israel. Politische Rivalen werfen dem Regierungschef Benjamin Netanyahu vor, er gehe nicht entschlossen genug gegen die Hamas vor. Netanyahu, der auch Israels Verteidigungsminister ist, hielt am Donnerstagabend im Militärhauptquartier in Tel Aviv eine Dringlichkeitssitzung ab.

 

Palästinenser-Raketen auf Tel Aviv offenbar irrtümlich abgefeuert

Schon im November war der Konflikt zwischen Israel und militanten Palästinenserorganisationen in dem blockierten Küstenstreifen gefährlich eskaliert. Fast 500 Raketen und Mörsergranaten wurden auf Israel abgefeuert. Dabei wurde ein Mann in Israel getötet, bei heftigen israelischen Gegenangriffen kamen sieben Palästinenser ums Leben.

Seit März vergangenen Jahres sind außerdem bei teilweise gewaltsamen Protesten an der Gaza-Grenze nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza mehr als 260 Palästinenser getötet und Tausende weitere verletzt worden.

Palästinenser protestieren

Am Freitag haben Hunderte wütender Palästinenser gegen die harten Lebensbedingungen im Gazastreifen demonstriert. Einige Teilnehmer einer Kundgebung in Dir el-Balach im mittleren Abschnitt des Küstenstreifens verbrannten Reifen. Sie protestierten unter anderem gegen die Preise und Lebenshaltungskosten in dem blockierten Gebiet am Mittelmeer.

Die Proteste wurden vor allem von jungen Leuten über soziale Medien organisiert. Schon am Vortag waren Polizeikräfte der im Gazastreifen herrschenden Hamas mit Gewalt gegen Demonstranten vorgegangen, die gegen die Lage im Gazastreifen protestiert hatten.

Die radikalislamische Hamas hatte 2007 mit Gewalt die alleinige Kontrolle im Gazastreifen an sich gerissen. Sie wird von Israel, den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft. Israel hat vor mehr als zehn Jahren eine Blockade über das Küstengebiet verhängt, die von Ägypten mitgetragen wird. Beide Länder begründen dies mit Sicherheitsinteressen. Im Gazastreifen leben rund zwei Millionen Menschen unter schwierigen Bedingungen. Es mangelt unter anderem an Trinkwasser und Strom. Die Proteste richten sich auch gegen von der Hamas verhängte Steuern, etwa auf Lebensmittel, Zigaretten und Kleidung.

Adrowitzer (ORF) zu dem Angriff auf Tel Aviv

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