OSZE-Tagung ohne Medien aus Angst vor russischer "Propaganda-Show"

Proteste in Wien
Sobotka verteidigt Einladung der Russen. Ukrainische Parlamentarier boykottieren die Veranstaltung.

Die Wintertagung der Parlamentarischen Versammlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) hat am Donnerstag in Wien begonnen - allerdings unter Ausschluss der Medien, was für Aufregung sorgt.

Ebenso für Kritik hat - schon im Vorfeld - die Anwesenheit russischer Abgeordneter gesorgt. In seinen Eröffnungsworten sagte Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP): "Wir stehen in ungeteilter Solidarität an der Seite der ukrainischen Regierung und des ukrainischen Volkes!" Gleichzeitig sei es die "Pflicht" der Mitglieder der OSZE und unserer Parlamentarischen Versammlung, "die Tür der Diplomatie nicht zuzuschlagen", betonte Sobotka.

Die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung, Margareta Cederfelt, rief zu einer Schweigeminute für die Opfer des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und des verheerenden Erdbebens in der Türkei und Syrien auf. Sie kritisierte die russische Aggression scharf. 

Auch der amtierende OSZE-Vorsitzende, der nordmazedonische Außenminister Bujar Osmani, verurteilte "den unprovozierten Angriff" Russlands auf die Ukraine in einer Videobotschaft.

Keine Journalisten anwesend

Für Kritik sorgte außerdem, dass die OSZE keine Journalisten zur Veranstaltung in die Hofburg lässt. "Diese Entscheidung wurde aus logistischen und sicherheitstechnischen Gründen getroffen", erklärte die PV auf Anfrage. Das Treffen wird auf YouTube und Facebook übertragen.

Journalistenvereinigungen kritisierten den Ausschluss der Medien. Die Vereinigung der Europajournalistinnen und -journalisten (AEJ) und der Verband der Auslandspresse in Wien warnten in einem Schreiben an die OSZE, die Entscheidung könne "die Freiheit der unabhängigen Berichterstattung stark beeinträchtigen".

"Riesige Propagandashow" verhindern

Die Entscheidung, keine Medien zuzulassen, sei gefallen, um damit eine "riesige Propagandashow" russischer Journalisten in der Wiener Hofburg zu verhindern. Dies erklärte der Vizepräsident der Versammlung, Michael Georg Link, am Donnerstag der APA. Die österreichische Nationalrätin Gudrun Kugler (ÖVP) bestätigte diese Darstellung.

Das Aussperren von Journalisten sei in der Tat nicht gut, erklärte Link. "Aber man kann es dadurch begründen, dass man verhindern will, dass die russischen Journalisten reinkommen und dort eine riesige Propagandashow machen würden", sagte der deutsche Bundestagsabgeordnete, der zwischen 2014 und 2017 das OSZE-Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) in Warschau geleitet hatte.

Link betonte, dass er Proteste von Journalisten gegen ihren Ausschluss verstehen könne und dies keine ideale Lösung sei, die sich zudem auf keinen Fall wiederholen dürfe. 

Russen kommen, Ukrainer bleiben fern

Die 1995 gegründete OSZE ist die größte regionale Sicherheitsorganisation der Welt. Der Parlamentarischen Versammlung (PV) gehören 323 Parlamentarier aus 56 Staaten an. Die diesjährige Wintertagung findet am Jahrestag des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine statt. Russland hat für die Versammlung neun Delegationsmitglieder eingemeldet, davon stehen sechs Personen auf den EU-Sanktionslisten. Die Ukraine und Litauen boykottieren deshalb das Treffen.

Demo vor Haupteingang

Vor dem Veranstaltungsort am Heldenplatz verlief der Auftakt der Wintertagung vergleichsweise ruhig. Während sich Delegierte lange vor einem Container anstellten, um ihre Akkreditierungen abzuholen und es dadurch zu Verzögerungen kam, erfuhr die russische Delegation eine gesonderte Behandlung: Die vom Duma-Vizepräsidenten Pjotr Tolstoj angeführte Delegation wurde über einen Hintereingang in die Hofburg gelotst, bestätigten Behördenvertreter der APA.Keinen Sichtkontakt zu den Russen gab es daher auch für Demonstranten.

Unmittelbar vor dem OSZE-Haupteingang demonstrierten etwa 15 Vertreter der ukrainischen Diaspora. "Russische Verbrecher, die diesen Krieg propagieren, wurden zum Verhandlungstisch eingeladen", kritisierte Aktivistin Anna Pattermann gegenüber der APA. Zur Diaspora gesellten sich zudem Angehörige jener ukrainischen Parlamentarierdelegation, die die Tagung selbst boykottiert.

OSZE-Tagung ohne Medien aus Angst vor russischer "Propaganda-Show"

Die Oppositionsabgeordnete Iryna Heraschtschenko nutzte die Szenerie für einen Liveeinstieg: Von diesem Balkon habe einst Hitler zum Annexion von Österreich gesprochen, nun passiere eine "Schande", erzählte sie einem ukrainischen Fernsehsender. "Zum Jahrestag der russischen Invasion in der Ukraine findet eine Tagung statt, zu der Vertreter Russlands und von Belarus eingeladen wurden: Alle diese Sluzkis und Tolstojs, die für die Annexion der Krim gestimmt haben", prangerte die Ukrainerin an. Leonid Sluzki ist der Leiter des Außenausschusses in der Duma und steht ebenso wie der russische Delegationsleiter Pjotr Tolstoj auf der EU-Sanktionsliste.

Etwas abseits machte zudem eine kleine Gruppe sozialdemokratischer Aktivistinnen und Aktivisten auf sich aufmerksam. Bewusst zum Auftakt der OSZE-Parlamentarierversammlung wolle man auch die Bundesregierung dazu aufzufordern, eine aktive Neutralitätspolitik zu betreiben, sagte die SPÖ-Nationalratsabgeordnete Katharina Kucharowits der APA.

Kritik an russischer Einladung

Zwei US-Kongressabgeordnete - der Demokrat Steve Cohen und der Republikaner Joe Wilson - kritisierten gegenüber dem US-Auslandssender Radio Free Europe/Radio Liberty die Visavergabe an die russische Delegation durch Österreich.

81 Abgeordnete aus 20 Ländern hatten bereits Anfang Februar Österreich aufgefordert, die Teilnahme der russischen Delegation an der OSZE-Tagung in Wien zu verhindern. Parlamentarier aus Polen, Litauen, Belgien, Kanada, Tschechien, Dänemark, Estland, Frankreich, Georgien, Deutschland, Island, Lettland, den Niederlanden, Norwegen, Rumänien, der Slowakei, Slowenien, Schweden, der Ukraine und Großbritannien unterzeichneten das Schreiben.

Die Tagung der parlamentarischen Versammlung der OSZE in Wien dauert bis Freitag. Bei vorangegangenen OSZE-Treffen hatten die Gastgeber Großbritannien und Polen keine Russen einreisen lassen. Österreichs Außenministerium vertritt den Standpunkt, dass man als Land, in dem die OSZE ihren Hauptsitz hat, zur Erteilung der Visa verpflichtet sei.

 

Auch die OSZE bestätigte das. "Die ausgestellten Visa erlauben lediglich die Teilnahme an der OSZE-Versammlung. Bei Missbrauch wird das Visum aufgehoben", erklärte ein Sprecher des Innenministeriums gegenüber der APA. Der Besuch anderer Veranstaltungen, wie etwa des freiheitlichen Akademikerballs am Freitag, wäre demnach nicht erlaubt.

Kommentare