Osteuropa will mehr Grenzschutz und weniger EU

Knüpft enges politisches Netzwerk, nicht nur in Ostmitteleuropa: Viktor Orban
Premier Orban bastelt an Osteuropa-Union und will auch Großbritannien als Verbündeten gegen Brüssel.

Der NATO-Stacheldraht ist schon geliefert. In diesen Tagen rücken Dutzende Polizisten an, die an Ungarns Südgrenze schon geübt haben, wie man mit Zäunen, Wasserwerfern und schlechter Behandlung Flüchtlinge vom eigenen Land fernhält. Die Regierung in Budapest engagiert sich massiv bei der nun voll angelaufenen Befestigung der Grenzen Mazedoniens und Bulgariens. Der Flüchtlingsstrom, den das überforderte Griechenland nach Norden und damit in Richtung Mitteleuropa weiterleitet, soll an diesen Grenzen gestoppt werden.

"Verteidigungswall"

Dass damit EU-Recht ausgehebelt wird, kümmert den ungarischen Premier Viktor Orban wenig. Einen "Verteidigungswall" müsse man an Griechenlands Nordgrenze errichten, donnerte er in einer Radiosendung: "Europa hat endlich kapiert, dass die Einwanderung komplett gestoppt werden muss."

Auch wenn Brüssel auf solche Vorstöße mit Entsetzen reagiert. Der zunehmend autoritär regierende Orban kann sich des Beifalls aus mehreren Richtungen sicher sein. In den Nachbarländern Polen und Slowakei sowie in Tschechien, sitzen Regierungen, die in der Flüchtlingskrise gegen die Beschlüsse der EU Front machen. So hat man die geplante Quote zur Verteilung der Flüchtlinge von Anfang an boykottiert und damit auch entscheidend zu ihrem Scheitern beigetragen.

Osteuropa-Union

Das Forum, in dem sich diese Regierungen abstimmen, ist die Visegrad-Gruppe. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs gegründet, war diese Vereinigung eher ein Papiertiger. Orban aber hat die Krise genützt, um sie zu einem funktionierenden Bündnis zu machen.

Längst macht man einander gegenüber Brüssel die Mauer. So protestiert die Rechtsregierung in Warschau gegen jede Kritik an Ungarn. Ebenso aber hat Budapest angekündigt, EU-Maßnahmen gegen die antidemokratischen Gesetzesänderungen in Polen nach Möglichkeit zu blockieren. Sogar Tschechiens sozialdemokratischer Außenminister Lubomir Zaoralek mahnte Zurückhaltung der EU gegenüber Polen ein.

Schon geht das Schlagwort Osteuropa-Union in Brüssel um. Und diese Osteuropa-Union soll auch auf den Balkan ausgedehnt werden, wo ja der ebenso nationalistische wie geschichtsbewusste Orban historisches Einflussgebiet Ungarns sieht. Die Hilfe bei der Grenzsicherung ist nur ein Vorschuss auf engere Zusammenarbeit.

Politisch sind die Regierungen eigentlich weit voneinander entfernt. In Prag und Bratislava regieren Sozialdemokraten, in Budapest und Warschau rechte Parteien. Einig ist man sich, wenn es um die Haltung gegenüber der EU geht. Denn die ist von wachsender Skepsis geprägt.

Obwohl alle vier Staaten EU-Nettoempfänger sind, also von Förderungen Brüssels profitieren, will man sich in politischen, aber auch in wirtschaftlichen Fragen wenig dreinreden lassen.

Keine Kritik aus London

Und da hat Orban einen mächtigen Verbündeten im Auge, mit dem auch in Prag schon mehrere Staats- und Regierungschefs in EU-Fragen gemeinsame Sache gemacht haben – Großbritannien. Premier David Cameron muss spätestens 2017 über die EU-Mitgliedschaft abstimmen lassen. Bis dahin will er die EU zu einer Reform zwingen. Deren Richtung ist klar: Mehr Rechte für Nationalstaaten, weniger für Brüssel. Ganz auf Orbans Linie also. Nicht umsonst war der Brite gerade in Ungarn zu Besuch. Von Kritik am autoritären Orban war da nichts zu hören. Man beschwor lieber gemeinsam Camerons EU-Reformpläne.

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