"Tür versiegelt"
Er leitete 30 Jahre lang das „Studio Filmowe TOR“ – eines der einflussreichsten, staatlichen Filminstitute, das direkt dem Kulturministerium unterstand. Als am 1. Oktober 2019 in Polen ein neues Kultur-Gesetz in Kraft trat, wurde das Institut vom Kulturministerium ohne Rücksprache geschlossen – nach 50-jährigem Bestehen.
Zanussi ist beim KURIER-Interview im Wiener Nobelhotel Sacher einigermaßen fassungslos. „Sie haben unsere Tür gleich am 1. Oktober verschlossen und versiegelt.“ Auch die bekannten Institute Kadr und Zebra existieren nicht mehr. „Die Idee dahinter ist, die Filmindustrie zu zentralisieren“, meint der Regisseur. Der polnische Filmmarkt soll kommerzieller, für ausländische Investoren attraktiver werden.
Zanussi glaubt, dass die Bestrebungen des Kulturministeriums eine nachhaltige Gefahr für den polnischen Film darstellen: „Das ist einfach schade, weil wir uns in einer erfolgreichen Periode befinden. Wenn die Politik in einer guten Periode dermaßen eingreift, ist das kein gutes Zeichen. Das muss man machen, wenn die Zeiten schlecht sind.“
Tatsächlich war Polens Filmindustrie zuletzt auch international erfolgreich. Der Schwarzweißfilm "Ida" von Paweł Pawlikowski wurde etwa bei der Oscarverleihung 2015 als Bester fremdsprachiger Film ausgezeichnet.
Auf Stalins Spuren
Zanussi weilt bis Sonntag in Wien und bewirbt in Zusammenarbeit mit dem Filmarchiv Austria die deutsche Fassung seines düsteren Thrillers „Eter“. Wissenschaftliche Experimente, zusammengebastelte Menschen: Der Teaser lässt Anleihen aus dem Horror-Klassiker "Frankenstein" erahnen. Das weist Zanussi - der als intellektueller Grübler gilt - lächelnd, aber entschieden zurück und nimmt ein Foto mit seiner Analogkamera auf.
Der Regisseur beherrscht die Kunst des Subtilen. Nur so konnte er Karriere machen. Er hat das "Spiel mit der Zensur" bis zum Zerfall der Sowjetunion, 1989, reichlich ausgereizt. "Wir haben versucht aufzuzeigen, dass die Ideale im repressiven System des Kommunismus nicht mit der Realität übereinstimmen, dass sie Heuchler sind. Aber es gab fast immer diese kleine Spanne der Freiheit. Die haben wir bespielt."
Die Hälfte seiner Karriere arbeitete Zanussi unter einem repressiven, kommunistischen Regime. Er sieht historische Parallelen zum Jetzt: „Die Tendenz ist, etwas zu schaffen, was die Russen unter Stalin kreiert haben. Es war der Versuch, in Moskau Hollywood zu kopieren – Mosfilm.“ Mosfilm zählt heute zu den größeren Filmkonzernen Europas – der Traum vom Sowjet-Hollywood scheiterte aber noch kläglicher, als die Sowjetunion selbst.
Wenig Hoffnung: PiS auf Erfolgskurs
Ein politischer Richtungswechsel könnte Zanussis Institut wiederbeleben. Der wäre theoretisch schnell möglich. Bereits am 13. Oktober wird der Sejm – das polnische Parlament – neu gewählt. Glaubt man aktuellen Umfragen, ist der PiS die absolute Mehrheit allerdings kaum zu nehmen. Zu beliebt ist die Mischung aus Sozialpolitik (Mindestlohn wurde erhöht, Kindergeld eingeführt), Erz-Katholizismus und Anti-Migrationskurs.
„Unsere Regierung ist keine rechtsnationale, wie sie sich gerne verkauft. Sie ist einfach populistisch“, meint Zanussi und stellt fest: „Die Regierung unternimmt Schritte, die autoritär sind.“ Das hat er nun am eigenen Leib zu spüren bekommen: „Ich bin deswegen sehr frustriert und verbittert. Aber so ist das Leben.“
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