ORF-Korrespondent: "Wir werden nun öfter kontrolliert"

„Freiheiten wurden systematisch zurückgeschraubt“, sagt Jörg Winter
Jörg Winter, der seit 2015 das ORF-Büro in Istanbul leitet, sagt im KURIER-Interview, dass er den Druck der Behörden jetzt stärker zu spüren bekommt

Fürchten Sie sich eigentlich?

Jörg Winter:Den Druck, unter dem unsere türkischen Kollegen schon länger massiv zu leiden haben, den bekommen jetzt auch wir Auslandskorrespondenten zu spüren. Mit der U-Haft für Deniz Yücel soll uns wohl auch eine Botschaft geschickt werden, die lautet: Nicht nur türkische Staatsbürger, auch ihr werdet zur Verantwortung gezogen, wenn ihr über Dinge berichtet, die uns nicht genehm sind. Ich habe wie viele andere miterlebt, wie Freiheiten systematisch mit unterschiedlichen Formen des Drucks zurückgeschraubt wurden.

Fühlen Sie sich in Ihrer Arbeit eingeschränkt?

Ich habe es bis jetzt niemals erlebt, dass mich jemand zum Ändern meiner Texte gedrängt hat. Niemand von offizieller Seite hat bisher direkt auf meine journalistische Arbeit Einfluss genommen. Aber wir werden jetzt öfter als früher von Polizei oder Beamten in Zivil aufgehalten und kontrolliert. Manche Regionen in der Türkei, etwa im Südosten in den Kurdengebieten, sind praktisch "off-limits" für uns geworden. Dort zu arbeiten, kann sehr schnell mit einer Festnahme unter irgendwelchen Vorwänden enden.

Gibt es Selbstzensur?

Wir überlegen bei sehr heiklen Themen genau, mit wem wir reden, wo wir drehen. Um den Behörden keinen Vorwand für irgendetwas zu liefern. Ich kenne Beispiele von ausländischen Kollegen, die Probleme bekommen haben, weil sie mit Leuten gesprochen haben, die laut Ansicht der Behörden angeblich eine Nähe zu Terrororganisationen haben.

Wurden Sie schon als "Lügenpresse" beschimpft?Wir wurden von einem Vertreter einer Istanbuler Händlerorganisation einmal als Propagandawerkzeug beschimpft. Es wurde uns gesagt, dass wir ohnehin Feinde der Türkei seien und Österreich die Türkei innerhalb Europas nur schlechtmache. Andere Kollegen haben mir auch von Übergriffen von Sympathisanten der (Regierungspartei) AKP erzählt. Uns ist das bisher nicht passiert.

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