Warum "Buddy" Orbán jetzt auch für Trump zum Problem wird

  Viktor Orbán am 11. Juli 2024 neben Donald Trump auf dessen Anwesen in Mar-a-Lago in Palm Beach, Florida.
Trump verlangt von den NATO-Ländern eine Abkehr von russischem Öl – auch von seinem Unterstützer Orbán. Sorgt dessen Russland-Nähe plötzlich für eine Beziehungskrise?

"Das größte Comeback in der US-Politikgeschichte! Ein dringend benötigter Sieg für die Welt!" Mit diesen Worten hatte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán seinem "good friend" Donald Trump zum Wahlsieg gratuliert.

Nicht einmal ein Jahr später dürfte der Beziehungsstatus eher "kompliziert" sein. Orbáns Hoffnungen, dass Trump den Krieg in der Ukraine beendet, russisches Öl bald wieder problemlos nach Europa fließt und seine ideologische Nähe zum US-Präsidenten ihn zum "Botschafter Brüssels" im Weißen Haus macht, haben sich alles andere als bewahrheitet. Vor allem die Sondergenehmigungen für Ungarn und die Slowakei für den Import von russischem Öl sind Trump ein Dorn im Auge: Die USA seien erst bereit, umfangreiche Sanktionen gegen Russland zu verhängen, "wenn alle NATO-Staaten  den Kauf von Öl aus Russland einstellen", sagt Trump.

Ungarn stellt sich quer

Zusätzlicher Druck kommt von der EU, die Ungarn die Auszahlung von 550 Millionen Euro der blockierten EU-Gelder in Aussicht gestellt hat – wenn es sein Veto gegen neue Sanktionen gegen Russland aufgibt, die auch den Energiesektor betreffen. Doch Ungarn hat all dem eine Absage erteilt: "Es mag schön sein, davon zu träumen, Öl und Gas von anderswo zu kaufen", erklärte Außenminister Péter Szijjártó im Guardian. Er schiebt alles auf die bestehende Infrastruktur: Ohne russische Lieferungen sei es unmöglich, "die sichere Versorgung des Landes zu gewährleisten“. Ungarns Regierungssprecher Zoltán Kovács warnte sogar, dass das die angeschlagene, ungarische Wirtschaft um mehr als vier Prozent schrumpfen würde, würden die russischen Gaslieferungen EU-weit eingestellt.

Zwei Pipelines beliefern Ungarn mit Rohöl: die Druschba- und die Adria-Pipeline. Konservativen Schätzungen zufolge gelangen mindestens acht Millionen Tonnen russisches Öl pro Jahr durch die Druschba in die ungarischen Raffinerien. Könnte Ungarn von heute auf morgen sein Öl woanders herbekommen?

"Nein", sagt Ioannis Gutzianas, Ökonom beim Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw). Aber: "Die Kapazitäten der Adria-Pipeline allein würden reichen, um die ungarische Nachfrage zu decken" – dieses Öl stammt aus Nordafrika und dem Nahen Osten.  Der kroatischen Betreiberfirma JANAF zufolge würden kleine Investitionen in die Infrastruktur genügen, um bis zu 15 Millionen Tonnen Rohöl durch die Pipeline zu schicken – mehr als die ungarischen Raffinerien pro Jahr verarbeiten können.

Politische Entscheidung

Allerdings, räumt Gutzianas ein, stimmt es, "dass die gesamte Energieinfrastruktur in Osteuropa um russisches Rohöl aus dem Uralgebirge geplant wurde, dessen Zusammensetzung und Verarbeitung etwas anders ist als die Aufbereitung von Öl aus der Adria Pipeline." Derzeit fehle es den ungarischen Raffinerien an den Kapazitäten, dieses Öl in großen Mengen aufzubereiten – beziehungsweise wurde verabsäumt, in diese zu investieren.

Dabei, so Gutzianas, weiß man, dass eine Diversifizierung der Quellen auch die Energiepreise in Ungarn sinken lassen würde. Der angeblich niedrige Einkaufspreis russischen Öls wurde an die Konsumenten kaum weitergegeben, sondern landete in den Taschen des staatlichen Erdölunternehmens MOL – während die hohen Energiepreise nach Kriegsbeginn in der Ukraine die Inflation in Ungarn auf Rekordhöhe trieben. Zusätzlich wäre mehr Diversifizierung auch eine Sicherheitsvorkehrung: Im August floss nach Angriffen der Ukraine auf die Druschba-Pipeline zeitweise kein Öl nach Ungarn und in die Slowakei.

FILE PHOTO: Hungary's Prime Minister Orban and Russia's President Putin attend a press conference in Moscow

Viktor Orbán und der russische Präsident Wladimir Putin in Moskau am 5. Juli 2024.

Die Abhängigkeit von russischem Öl nicht zu reduzieren, war auch eine politische Entscheidung. Tschechien, einst ähnlich abhängig wie Ungarn, hat seine Energieversorgung in den letzten Jahren vollständig aus der Druschba-Pipeline gelöst.

Zölle gegen China täten Ungarn besonders weh

Noch etwas könnte dafür sorgen, dass Orbán bei Trump in Ungnade fällt: Neben der Abkehr von russischen Rohstoffen fordert Trump von der EU auch höhere Zölle gegen China. Sollte die EU der Forderung nachkommen, wäre davon auch die ungarische Wirtschaft betroffen: Kein anderes Land hat im Vorjahr mehr in Ungarn investiert als China. Schwächelt die chinesische Wirtschaft, spüren das auch chinesische Unternehmen in Ungarn, um die Orbán in den letzten Jahren mit großzügigen Subventionen aktiv geworben hat. Schon jetzt haben der E-Auto-Produzent BYD und der Batteriehersteller CATL angekündigt, ihre Produktionskapazitäten zu reduzieren.

Auch Türkei importiert fleißig

Orbáns Nähe zu sowohl Trump als auch Wladimir Putin und Xi Jinping könnte ihm jetzt auf den Kopf fallen. Gleichzeitig weiß Orbán aber auch, dass er sich hinter anderen NATO-Mitgliedern verstecken kann, die noch abhängiger von russischem Öl sind – etwa die Türkei. Die türkischen Importe russischen Öls haben sich seit 2022 mehr als verdoppelt, die Türkei ist drittgrößter Importeur nach China und Indien. Dass Recep Tayyip Erdoğan Trumps Forderung nachkommt, ist unwahrscheinlich. Genauso wie die Europäische Union weiß, dass höhere Zöllen gegen China die eigene Wirtschaft ruinieren würden.

Und auf noch etwas kann Orbán zählen: Dass Trumps Laune tagesabhängig ist – und seine Nähe zu Putin morgen wieder von Vorteil sein kann.

Kommentare