Opposition zeigt Mursi die Rote Karte

Ägyptens Opposition lehnt Dialog ab und plant neue Protestaktionen. US-Präsident Obama zeigt sich "ernsthaft beunruhigt".

Die ägyptische Opposition will auch am Freitag wieder gegen Präsident Mohammed Mursi demonstrieren. Sie lehnte das Gesprächsangebot Mursis ab und will stattdessen mit Protestaktionen so viel Druck erzeugen, dass der Staatschef das für den 15. Dezember geplante Verfassungsreferendum absagt.

Auf dem Tahrir-Platz in Kairo trafen Aktivisten Freitag früh Vorbereitungen für eine Kundgebung, die unter dem Motto "Rote Karte" stehen soll. Präsident Mursi hatte in einer Fernsehansprache am Donnerstagabend erklärt, es werde keine Änderung an dem Verfassungsentwurf geben, der von den Islamisten formuliert worden war. Auch der Termin für das Referendum werde nicht verschoben. Er lud die Oppositionellen jedoch zu einem Dialog an diesem Samstag ein. Die Jugend-Revolutionsbewegung "6. April" und alle maßgeblichen Oppositionsparteien erklärten, sie wollten auf diesen Dialog verzichten. Er sei nur ein PR-Gag.

"Mursi hat die Tür zugeschlagen"

Der Koordinator der Nationalen Rettungsfront, Mohammed ElBaradei, erklärte: "Mursi hat die Tür zugeschlagen." Ein Dialog mit dem Präsidenten sei nicht mehr möglich, da er nicht bereit sei, Kompromisse zu schließen. Im Namen des links-liberalen Oppositionsbündnisses rief ElBaradei die Ägypter auf, sich an den Protestkundgebungen am Nachmittag zu beteiligen.

In seiner ersten Ansprache seit Beginn der blutigen Ausschreitungen in Kairo war der Nachfolger des im Vorjahr aus dem Amt gezwungenen Staatschefs Hosni Mubarak am Donnerstagabend mit keiner Silbe auf die Forderungen der Opposition eingegangen. Die Schuld an der Gewalt gab er seinen politischen Gegnern. Verärgerte Demonstranten setzten daraufhin Büroräume der Muslimbruderschaft in Kairo in Brand.

USA besorgt

US-Präsident Barack Obama forderte Mursi in einem Telefongespräch auf, einen Dialog mit der Opposition ohne Vorbedingungen zu suchen. Wie das Weiße Haus weiter mitteilte, betonte Obama in dem Gespräch, dass alle politischen Führer in Ägypten ihren Gefolgsleuten klarmachen sollten, "dass Gewalt nicht hinnehmbar ist". Zuvor waren nach Informationen des Senders Al-Jazeera vom Donnerstagabend bei den Straßenkämpfen in Kairo und Suez sieben Menschen getötet und insgesamt 771 verletzt worden. Die Polizei nahm 150 Verdächtige fest.

Die liberalen und linken Parteien verlangen eine Überarbeitung des von den Islamisten formulierten Entwurfs für eine neue Verfassung. Außerdem bestehen sie auf einer Verschiebung der Volksabstimmung über die Verfassung, die für den 15. Dezember geplant ist. Mursi lehnt das ab. Sollte die Mehrheit der Bürger gegen den Entwurf stimmen, sei er aber bereit, eine neue Verfassungsgebende Versammlung einzuberufen, sagte er in der Ansprache vom Donnerstagabend. Für den Entwurf wird aber eine Mehrheit erwartet, da er von der Muslimbruderschaft und anderen islamistischen Fraktionen getragen wird. Mursi erklärte dazu, Demokratie bedeute, dass "sich die Minderheit dem Willen der Mehrheit beugt".

Dekret als Zündstoff

Die Krawalle hatten am Mittwoch begonnen, als Muslimbrüder Zelte zerstörten, die Aktivisten aus Protest gegen die Machtpolitik der Islamisten vor dem Präsidentenpalast aufgebaut hatten. Die Zusammenstöße zwischen den Oppositionellen und Anhängern der regierenden Islamisten-Parteien waren die heftigsten Ausschreitungen seit Mursis Amtsantritt.

Entzündet hatte sich der Streit an einem Dekret Mursis, mit dem dieser seine Machtbefugnisse für die Zeit bis zum Inkrafttreten einer neuen Verfassung auf Kosten der Justiz ausgeweitet hatte. Auch daran hielt Mursi in seiner Rede fest. Lediglich zum Verzicht auf Artikel VI der Erklärung sei er bereit. Dieser hätte es ihm erlaubt, ohne Rücksprache "alle notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um die Revolution, die Einheit und die nationale Sicherheit zu wahren".

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