Weil?
Hans Magnus Enzensberger hat gesagt „Ein gutes Klischee ist eine wahre Gabe Gottes“. Wenn man mit einem guten Klischee umgehen kann, kann man daran andere Botschaften knüpfen.
Und bei schlechten Klischees und Bildern?
In den USA und in Großbritannien haben, trotz grundsätzlich positiver Einstellung zu Österreich, immer die Schatten der Vergangenheit ein große Rolle gespielt. In den USA ging es immer eher um Österreichs Rolle im Nationalsozialismus, in England war es mehr die Beschäftigung mit dem Zweiten Weltkrieg an sich.
Da fällt die Affäre Waldheim hinein: Österreich war stolz auf „seinen“ UNO-Generalsekretär, und später war Österreich geächtet, weil sein Präsident seine Vergangenheit als Wehrmachts-Offizier geschönt bzw. verschwiegen hatte. So schnell kann’s gehen mit dem Image.
Ja, wobei es schon vorher einige Brüche gab in den 1980er-Jahren: Die Kunstgüter in Mauerbach („herrenlose“ Raubgüter aus der NS-Zeit, Anm.), wo wir in den USA massiv kritisiert wurden, die Affäre Frischenschlager-Reeder (FPÖ-Verteidigungsminister begrüßt aus italienischer Haft entlassenen früheren SS-Major und Kriegsverbrecher Walter Reder per Handschlag, Anm.). Waldheim brachte das Fass zum Überlaufen.
Aber er brachte Österreich auch eine Katharsis.
Das Bild hat sich dann sehr stark verbessert, weil wir mit der Diskussion gut umgegangen sind bis hin zur Restitution (Washingtoner Erklärung) in der Ära Schüssel.
Wie war das Image Österreichs in EU-Europa, als wir 1994 beitreten wollten?
Da war die Hauptsorge: Wie beeinträchtigen neutrale Mitglieder in der Europäischen Union die europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Da brauchten wir viel Überzeugungsarbeit, dass wir kein Interesse haben, die zu blockieren – und wir haben dann ja auch viel getan. Wirtschaftlich, kulturell waren wir dermaßen verbunden, da sind wir eigentlich in die EU hineingeschlüpft.
Die größte Überzeugungsarbeit brauchte es aber in Moskau.
Österreich hat in Russland immer ein sehr gutes Image gehabt – bis heute. Aber: Die Europäischen Gemeinschaften waren damals für Moskau noch eine Vorfeldorganisation der Nato mit wirtschaftlichem Mantel. Erst unter Gorbatschow kam eine andere Sichtweise, da nutzten wir die Gunst der Stunde.
Zehn Jahre vorher wäre ein EU-Beitritt nicht gegangen?
Nein.
Österreich hat sich gerne als Vermittler, als Drehscheibe zwischen Ost und West gesehen – da haben wir uns schon gerne überschätzt, oder?
Wir bedienen da auch unsere eigenen Klischees. Wir haben schon eine wichtige Rolle gespielt in Zeiten des Kalten Krieges, im humanitären Bereich, in der Informationspolitik ...
Aber der große Friedensstifter waren wir nicht.
Nein, und dass wir uns jetzt ununterbrochen anbieten und sagen, wir sind Brückenbauer und Vermittler, wo wir nicht einmal gefragt werden, das finde ich ein bisschen fragwürdig.
Und wie gewichtig werden wir in der EU wahrgenommen?
In der EU nutzen wir die Chancen, die wir hätten, nicht wirklich. Wir haben uns immer nur eingebracht in den Themen, die wir nicht wollen – wir wollen keine Lkw, wir wollen keine Nuklearenergie, wir wollen nicht mehr zahlen. Wir haben nicht gesagt, was wir wollen. Da können die Kleinen viel mehr. Es kommt nur darauf an, welche Ideen man hat, wie man sie einbringt, mit wem man sie verbünden kann. Ob man eine Rolle am Rand haben will oder im Zentrum spielt. Ich denke, unsere Rolle wäre im Zentrum.
Was war das kurioseste Österreich-Bild, auf das Sie je trafen.
Ein kurioses Erlebnis hatte ich in New Orleans, wo bei einem Empfang die österreichische Hymne angekündigt wurde, und dann haben sie „Edelweiß“ gespielt.
Wenigstens verjazzt?
Ja, ein bisserl.
Ist man als Botschafterin auch stolz auf Österreich.
Immer wieder. Dass uns die EU-Präsidentschaft 2006 so gut gelungen ist mitsamt der Gesprächsschiene zwischen Washington und Brüssel, darauf bin ich schon stolz. Oder wenn sie ein wunderbares Gastspiel der Wiener Philharmoniker begleiten.
Stolze Gänsehaut trägt man also auch?
Ja natürlich.
Sie haben zu Zeiten als Botschafterin gearbeitet, da war eine Frau im Dienst noch nicht so üblich.
Als ich 1992 in Paris Botschafterin wurde, war ich zu meiner großen Überraschung im diplomatischen Corps aus der ganzen Welt die einzige Frau. Wenn Außenminister Alain Juppé die versammelten Botschafter begrüßt hat, sagte er „Messieurs les ambassadeurs“ (meine Herren Botschafter).
Wie kommt man sich da vor?
Ich habe dann aufgezeigt, und er fügte ein schnelles „et Mesdames“ (und meine Damen) an. Aber eigentlich war es sehr nützlich, weil Sie dadurch natürlich auch auffallen. Inzwischen gibt es aber fast mehrheitlich Frauen in der Diplomatie.
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