„Österreich beweist, dass Neutralität nicht Gleichgültigkeit bedeutet“
Da riss es die versammelten österreichischen Botschafterinnen und Botschafter im Prunksaal des Wiener Palais Niederösterreich spontan von den Sitzen. Stehender Applaus für den per Video dazu geschalteten Außenminister der Ukraine, Dmytro Kuleba.
Denn dieser hatte die heimischen Spitzendiplomaten mit einem nicht enden wollenden Lob für die österreichische Neutralität überrascht. „Österreich hat bewiesen, dass Neutralität nicht Gleichgültigkeit bedeutet“, sagte er.
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Verhalten, aber doch immer wieder war früher Kritik aus Kiew gekommen, dass das neutrale Österreich sich auf den bequemen Standpunkt zurückziehe: Unter dem Vorwand der „militärschen Neutralität“ dürften keine Waffen an die Ukraine geliefert werden.
Kuleba verwies hingegen auf die umfangreiche humanitäre und finanzielle Hilfe aus Österreich für die Ukraine – bisher 340 Millionen seit Kriegsbeginn. Und Außenminister Alexander Schallenberg pflichtete bei: „Bei einem BIP/Kopf-Vergleich ist Österreich überhaupt eines der größten Geberländer für die Ukraine.“
„Russland muss zahlen“
Für den Wiederaufbau der Ukraine, fügte der ukrainische Außenminister hinzu, „wäre es fair, eingefrorene russische Vermögenswerte zu verwenden. Nicht die österreichischen Steuerzahler sollen dafür aufkommen.“ Und in Anspielung auf die Raiffeisen Bank International schlug Kuleba vor: „Eure Banken könnten sich als hilfreich erweisen, um Russland zahlen zu lassen.“
Treffen in Sotschi
Doch aus Russland kommt weiterhin kein Zeichen einer Kompromissbereitschaft.
Bei einem Treffen zwischen Präsident Wladimir Putin und dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan gestern im russischen Sotschi sagte der Kremlchef zwar: „Wir sind offen für Verhandlungen für eine Erneuerung des Getreideabkommens.“ Doch die Bedingungen Russlands waren vorab bereits so hoch angesetzt, dass sie unerfüllbar schienen: Russland pochte auf eine Lockerung der westlichen Sanktionen – das wiederum kann Erdoğan nicht versprechen.
Russland ist im Juli einseitig aus dem Getreidedeal ausgestiegen. Dieser hatte ermöglicht, dass die Ukraine ihre mit Getreide beladenen Schiffe ohne russischen Beschuss über das Schwarze Meer bringen konnte. So hatten seit dem Sommer 2022 rund 33 Millionen Tonnen Getreide und landwirtschaftlicher Produkte aus der Ukraine exportiert werden können. Aber für Putin, so ließ der Kremlherr bereits vorab wissen, sei es ohnehin viel wichtiger, mit Erdoğan über Zusammenarbeit im Energiebereich als über den Getreidedeal zu sprechen.
Ministerwechsel in Kiew
Des längeren schon angekündigt vollzog sich gestern indessen der Wechsel an der Spitze des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Verteidigungsminister Olexij Resnikow reichte seinen Rücktritt ein. Er bekleidete den Posten schon seit vor dem Krieg, seit November 2021.
Abgelöst wird Resnikow, der als Botschafter nach London geht, vom bisherigen Chef des Fonds für Staatsvermögen, dem 41-jährigen Rustem Umerow.
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