Obama: „Bin bereit, den Befehl zu geben“

epa03845348 US President Barack Obama (L) walks in front of US Vice President Joe Biden (R) down the Colonnade to the Rose Garden to deliver remarks on the current situation in Syria and a US response, at the White House in Washington DC, USA, 31 August 2013. Obama said he would seek Congressional approval for a military strike on Syria. EPA/MICHAEL REYNOLDS
Doch der US-Präsident will sich für einen Militärschlag gegen Syrien die Zustimmung des Kongresses sichern.

Lange hatte er gezögert, doch am Samstagabend trat ein entschlossen wirkender US-Präsident im Rosengarten des Weißen Hauses vor die Journalisten und verkündete in einem knappen Statement: „Ich bin bereit, den Befehl zu geben.“ Die USA hätten alle Vorbereitungen für eine begrenzte und kurze Militär-Intervention in Syrien getroffen, Bodentruppen werde es nicht geben, sagte Barack Obama.

Kein Datum

Wann der Angriff starten soll, darauf wollte sich der „Commander in Chief“, wie sich der Staatschef selbst nannte, nicht festlegen. Es könne „morgen, in der nächsten Woche oder in einem Monat“ sein, ließ er wissen. Allerdings wolle er sich für diese Operation die Zustimmung des Kongresses holen.

Damit könnte es noch Raum für die Diplomatie geben. Denn plangemäß tritt der Kongress nach der Sommerpause erst am 9. September wieder zusammen. Der von Obamas Demokraten dominierte Senat könnte laut Medienberichten wegen der Brisanz der Situation schon früher seine Arbeit wieder aufnehmen. Das von den oppositionellen Republikanern angeführte Abgeordnetenhaus will aber erst morgen in einer Woche wieder aktiv werden, wie der Sprecher der Parlamentskammer, der Republikaner John Boehner, bekräftigte. Bereits heute, Sonntag, aber will das Weiße Haus den Außenpolitischen Ausschuss in einer geheimen Sitzung informieren.

Mit diesem politischen Schachzug Obamas erhält nicht nur Syriens Machthaber Bashar al-Assad eine neue Galgenfrist, auch der US-Präsident gewinnt Zeit, um skeptische Mandatare – selbst in den eigenen Reihen – umzustimmen. Und die amerikanische Öffentlichkeit. Denn laut einer jüngsten Umfrage sind 53 Prozent der US-Bürger gegen den Militäreinsatz, vor einer Woche waren es allerdings noch 60 Prozent.

„C-Waffen-Massaker“

Obama begründete seine Entscheidung damit, dass es für die USA erwiesen sei, dass das syrische Regime unter Machthaber Bashar al-Assad für den Giftgas-Angriff der vergangenen Woche verantwortlich sei. „Wir können nicht die Augen davor verschließen, was in Damaskus passiert ist – ein Chemiewaffen-Massaker“, sagte der US-Präsident. Der Einsatz von Chemiewaffen bedrohe auch die „nationale Sicherheit“ seines Landes. Am Vortag hatte der amerikanische Außenminister John Kerry von klaren Beweisen gesprochen, dass das syrische Regime für den Giftgasangriff vom 21. August verantwortlich sei. Dabei seien 1429 Menschen, darunter 426 Kinder, getötet worden.

Und so geht der amerikanische Flottenaufmarsch im Mittelmeer mit unverminderter Intensität weiter. Das Marineschiff „USS San Antonio“ stieß inzwischen zu den fünf US-Zerstörern im östlichen Mittelmeer vor der Küste Syriens.

„Das Richtige“

Dass es für die mögliche US-Intervention höchstwahrscheinlich kein UN-Mandat geben wird, ließ Barack Obama kalt: „Es ist das Richtige für unsere Demokratie.“ Zugleich räumte er aber ein, dass es keine militärische Lösung für den Konflikt geben könne, letztlich müsse eine politische Lösung gefunden werden.

Das Expertenteam der UNO hat seine viertägige Untersuchung des Giftgas-Einsatzes in Syrien beendet und das Land verlassen: Das Ergebnis des UNO-Berichts gilt als ausschlaggebend für das weitere Vorgehen der internationalen Gemeinschaft. Diplomaten rechnen damit, dass die Auswertung der Untersuchungen bis zu zwei Wochen dauern könnte; UNO-Sprecher Martin Nesirky sagte in New York, die Inspektoren würden am Samstag zurückkehren und "rasch" einen Bericht vorlegen.

Das syrische Außenministerium hatte zuvor erklärt, die angeblichen Beweise der US-Regierung für einen Chemiewaffen-Einsatz durch syrische Regierungstruppen seien nichts anderes als alte Geschichten voller "zusammengeschusterter Unwahrheiten".

Iran spricht von "Reaktionen jenseits des Landes"

Der Iran hat die USA erneut eindringlich vor einem Militärschlag gegen Syrien gewarnt. Ein militärisches Vorgehen gegen den iranischen Verbündeten werde "Reaktionen jenseits des Landes provozieren", sagte der Kommandant der iranischen Revolutionsgarden, Mohammed Ali Jafari, am Samstag laut der Nachrichtenagentur ISNA. "Wenn die Amerikaner glauben, dass die Militärintervention auf das Gebiet innerhalb der syrischen Grenze begrenzt bleibt, ist das eine Illusion."

Der Iran ist einer der wichtigsten Verbündeten des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Jafari richtete auch eine Warnung an Verbündete der USA, die sich an einem Militäreinsatz beteiligen. Dies werde "die nationale Sicherheit dieser Länder beeinträchtigen". Der Kommandant wiederholte auch die bereits vor wenigen Tagen ausgesprochene Drohung gegen Israel.

Russland will Beweise

Rückendeckung erhielt Syriens Präsident Bashar al-Assad erneut vom russischen Präsidenten Wladimir Putin: Er verlangte in Wladiwostok von den USA Beweise für einen Chemiewaffen-Einsatz durch Assads Truppen. "Und wenn sie keine vorzeigen, dann heißt das, dass sie keine haben", sagte Putin. Da die Regierungstruppen in Syrien auf dem Vormarsch seien, wäre es aus ihrer Sicht "kompletter Unsinn", mit einem Chemiewaffen-Einsatz eine Militärintervention zu riskieren.

Türkei unterstützt Intervention

Die türkische Regierung hat das Regime Assads für den Giftgaseinsatz verantwortlich gemacht. Informationen aus Geheimdienstquellen der Türkei und aus "anderen Quellen" hätten zu dieser unzweifelhaften Erkenntnis geführt, sagte Außenminister Ahmet Davutoglu nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi am Freitag in Ankara. Zudem verfügten die Rebellen nicht über ausreichend entwickelte Waffen für einen solchen Angriff. Die islamisch-konservative Regierung in Ankara gehört zu den Gegnern Assads. Sie hat angekündigt, eine mögliche militärische Intervention in Syrien zu unterstützen.

Frankreich ist auch dabei

Weit aus dem Fenster lehnte sich am Freitag aus europäischer Sicht Frankreichs Präsident François Hollande: Er forderte eine internationale Reaktion, notfalls auch ohne UN-Mandat. Aber – und das ist der große Unterschied: Nur, „wenn der Sicherheitsrat nicht in der Lage ist, zu handeln.“ Zuvor hatten sich Großbritannien, Frankreich und Deutschland allem Anschein nach darauf verständigt, noch zumindest einen Anlauf für eine diplomatische Lösung zu machen: Vor allem auf Russland soll jetzt vermehrt Druck ausgeübt werden, im Sicherheitsrat eine politische Lösung mitzutragen. Zunächst soll der Bericht der UN-Inspektoren abgewartet werden – Endergebnisse werden in frühestens einer Woche erwartet –, um die Beweislage im UN-Sicherheitsrat fundiert diskutieren zu können.

Die Mission der UNO direkt in Syrien ist jedenfalls vorbei. Am Samstag haben die Inspektoren Damaskus verlassen. Augenzeugen zufolge kamen die Inspektoren in der Früh auf dem Internationalen Flughafen in Beirut an. Zuvor hatte das Team die Grenze von Syrien in den Libanon passiert.

Nein, bei Präsident Obama werde er sich nicht entschuldigen müssen und politisch werde man weiter Druck auf Syrien machen: Premier David Cameron war am Freitag verzweifelt bemüht, in Interviews die katastrophale Niederlage im Unterhaus in der Nacht davor kleinzureden. Zu spät, das knappe „Nein“, mit dem die Abgeordneten den Regierungsantrag für einen Militäreinsatz gegen Syrien niedergestimmt hatten, wächst sich inzwischen zu einer politischen Krise für die konservativ-liberale Regierungskoalition aus . Sogar Finanzminister George Osborne machte am Freitag deutlich, wie schwer beschädigt Großbritanniens Außenpolitik durch die Entscheidung sei. Das Land, so die Nummer zwei im Kabinett, müsse nun wohl „in sich gehen und über seine Rolle in der Welt nachdenken“.

Andere Regierungsmitglieder dagegen reagierten mit Wut auf jene abtrünnigen Parteimitglieder, die sich gegen den Premier gestellt hatten. Eine Schande für das Land nannte sie etwa Bildungsminister Michael Gove, seine Ehefrau Sarah ging noch weiter und twitterte über „erbärmliche Verlierer, die nicht über den eigenen Tellerrand blicken können“.

Die britischen Medien werten die Niederlage als historisches Fiasko und offene Demütigung des Premiers. Noch nie habe eine britische Regierung in einer außenpolitisch so wichtigen Frage eine solche Niederlage erlitten. Cameron, so urteil t etwa der konservative Daily Telegraph, habe seine eigene Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt und verloren.

Tatsächlich hatte der Premier mit der Abstimmung ziemlich hoch gepokert. Immerhin hatte er das Parlament für diese eigens früher aus der Sommerpause geholt, was dazu führte, dass sogar drei Regierungsmitglieder die Abstimmung verpassten – angeblich, weil sie die Glocke, die zum Votum rief, nicht gehört hatten.

Doch Cameron hatte auch die Stimmung in der Bevölkerung ignoriert. Zwei Drittel der Briten, so jüngste Umfragen, sind gegen eine Teilnahme ihres Landes an einem Militäreinsatz in Syrien. Die Tatsache, dass die Ergebnisse der UN-Inspektoren über den Chemiewaffen-Einsatz noch gar nicht vorliegen, hatte bei vielen Parlamentariern obendrein unangenehme Erinnerungen an den Irak-Krieg vor zehn Jahren ausgelöst. Auch damals waren die USA und Großbritannien auf Kriegskurs gegangen, und stützten sich dabei auf angebliche Informationen über Massenvernichtungswaffen, die nicht existierten.

Camerons Niederlage in den britischen Medien

Obama: „Bin bereit, den Befehl zu geben“

Cameron Presseschau
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Barack Obama soll nur mehr wenige Zweifel daran haben, dass Syriens Regime Giftgas gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt hat. Die Vorbereitungen für einen Militärschlag unter Führung der USA laufen. Allerdings soll dieser kurz sein – ein langfristiger Einsatz wird tunlichst vermieden. Ein Angriff wäre demnach vor allem ein symbolischer Akt gegen den Einsatz chemischer Waffen.

Weder soll Bashar al-Assad gestürzt noch die Rebellen von der Intervention gestärkt werden. Die Aufständischen sind von der Terrororganisation El-Kaida unterlaufen, sind dem Westen daher ähnlich unheimlich wie Machthaber Assad selbst.

Die Freunde des Regimes – Russland, China und der Iran – hingegen fürchten um ihren Einfluss in der Region. Sie drohen bei einer militärischen Intervention mit Konsequenzen. Vor allem Israels Bevölkerung fürchtet Vergeltungsmaßnahmen.
Die Akteure im Überblick:

Der oft zu Recht als ewiger Zauderer bezeichnete US-Präsident Barack Obama scheint nun doch bereit für einen Militärschlag gegen das syrische Regime – notfalls im Alleingang. Denn in der Nacht zum Freitag ist ihm der langjährige Kampfgenosse Großbritannien überraschend weggebrochen. Die Abgeordneten im Londoner Unterhaus verweigerten Premier Cameron die Gefolgschaft, die Royal Airforce bleibt am Boden.
Es handelt sich wohl um eine späte Einsicht. Denn vor mehr als zehn Jahren war der damalige Briten-Premier Tony Blair mit US-Präsident George Bush in blindem Vertrauen in den Irakkrieg gezogen. Die angeblichen Massenvernichtungswaffen stellten sich in der Wüste des Zweistromlandes als Fata Morgana heraus. Blair ging als „Bushs Pudel“ in die Geschichte ein.
Die Obama-Administration hat gestern führenden Kongress-Abgeordneten Beweise präsentiert, die belegen sollen, dass das syrische Regime unter Machthaber Assad für den Giftgas-Angriff der Vorwoche mit Hunderten Toten verantwortlich sei. Alles, was man bisher weiß, gab es aber keinen Befehl von ganz oben, die Suppe ist also dünn. Doch der US-Präsident hat sich so weit aus dem Fenster gelehnt, dass ein Rückzug ohne Gesichtsverlust nahezu unmöglich ist.
Die vielleicht letzte Chance, dass die amerikanischen Tomahawk-Raketen doch in ihren Silos bleiben, ist der G20-Gipfel kommende Woche. Da müsste sich der russische Präsident Putin in seiner bisher so kompromisslosen Pro-Assad-Haltung bewegen. Anzeichen dafür gibt es leider keine.

Österreich nimmt 500 Flüchtlinge aus dem Bürgerkriegsland Syrien auf. Das kündigte Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) am Donnerstag an. VP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner erklärte, die Aufnahme solle innerhalb "einiger weniger Wochen" erfolgen. Sie habe den Auftrag von Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) an ihr Ressort weitergeleitet. Dieses treffe sich am morgigen Freitag zu einer ersten Sitzung und werde in Folge Kontakt zu einer intentionalen humanitären Organisation aufnehmen.

"Wir werden im Rahmen einer humanitären Aktion 500 Flüchtlinge aufnehmen", so Mikl-Leitner. Schwerpunktmäßig werde es sich um Kinder, Frauen und Christen handeln, da dies besonders gefährdete Gruppen seien. Die Hilfe soll in den nächsten Wochen erfolgen. Mit welcher Organisation zusammengearbeitet werde, steht noch nicht fest.

Das nun doch Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen werden, obwohl sie dies im Juni noch abgelehnt hatte, erklärte Mikl-Leitner damit, dass sich die Situation in dem Land Tag für Tag mehr zuspitze. "Wir gehen mit gutem Beispiel voran", und dies erwarte sie sich auch von den anderen europäischen Staaten. In den nächsten Tagen werde die Hilfe organisiert und vorbereitet. Wo die Betroffenen untergebracht werden sollen, stehe noch nicht fest. Druck aus Brüssel habe es auf jeden Fall "überhaupt nicht" gegeben: "Österreich kommt seiner Verantwortung nach", die Situation in Syrien sei äußerst kritisch, erklärte die Innenministerin.

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