Obama als Anwalt der Aktivisten
"Wie geht’s, Kuba?" – die Frage, die Barack Obama im historischen Landeanflug auf Havanna per Twitter an seine Gastgeber richtete, wird Berta Soler heute mit einem alarmierenden Handy-Video beantworten. Die Bilder zeigen, wie das Castro-Regime die regierungskritischen "Damen in Weiß" nach ihrem traditionellen Schweigemarsch für Meinungsfreiheit am Sonntag brutal und entwürdigend festnehmen ließ.
Am Dienstag wird die resolute Frau mit anderen prominenten Dissidenten, darunter der Vorsitzende der Kommission für Menschenrechte, Elizardo Sánchez, in der Residenz des amerikanischen Botschafters mit Obama zusammenkommen. Der Gedankenaustausch, von Washington hartnäckig gegen den Willen der sozialistischen Regierung durchgesetzt, ist heikel. Oppositionelle wie Soler beschreiben seit Monaten die Schattenseiten, die der politische Klimawandel mit sich bringt. Demnach habe die "Repression" zugenommen, seit Obama und Präsident Raúl Castro im Dezember 2014 Tauwetter vereinbarten. Allein im Jänner und Februar 2016 wurden nach Zählung von Elizardo Sánchez 2500 Menschen festgenommen, weil sie öffentlich ihren Unmut über die Regierung geäußert hatten.
Gegenwind ersticken
Der Aktivist José Daniel Ferrer rechnet vor: Je lauter die Debatte über die Demokratisierung wird, desto energischer kämpft die Regierung gegen jene, die ihren Unmut kundtun. Ferrer, dessen Haus unter ständiger Beobachtung steht, wird heute früh von US-Sicherheitsbeamten zum Obama-Treffen eskortiert. So soll eine Verhaftung in letzter Minute verhindert werden.
Die Aktivisten sehen in Obama den besten Anwalt, die Übergriffigkeit der Regierung anzuprangern. Dieser werde aber, so verlautete aus der amerikanischen Delegation, im Scheinwerferlicht der internationalen Medien "keinen Affront riskieren", gleichwohl unmissverständlich seinen Punkt machen.
Dass der 84-jährige Raul Castro seine Freude über den ersten Besuch Obamas nur homöopathisch dosiert zum Ausdruck bringen sollte, hatte sich abgezeichnet. Anders als zuletzt beim Papstbesuch bemühte sich Castro nicht zum Flughafen, um Familie Obama im Dauerregen abzuholen. Und sein Bruder Fidel Castro ließ die Kubaner zudem kürzlich wissen, er traue den Amerikanern nicht über den Weg.
"Natürlich geht es auch um Stolz", erklärte ein Wirtschafts-Dozent der Universität von Havanna, "aber die Castros haben wirklich Sorge, dass mit Obama etwas ins Rutschen kommt, was sie nicht mehr steuern können." Dem Regime gehe es bei der Wiederannäherung mit Amerika schließlich nur um eines: "Frische Dollar, um das Kartenhaus vor dem Kollaps zu bewahren."
Einmischungsgehalt
Jedes Wort, das Obama an diesem Dienstag in seiner Rede an das kubanische Volk richtet, wird darum auf seinen Einmischungsgehalt hin abgeschmeckt. Ohnehin muss er sich auf Konter gefasst machen. Außenminister Rodríguez erneuerte erst vor wenigen Tagen den Forderungskatalog: Weg mit dem Wirtschaftsembargo (wissend, dass Obama das nicht in der Hand hat, sondern nur der Kongress). Rückgabe der US-Marine-Basis Guantánamo Bay (wissend, dass Amerika den seit über 100 Jahren geltenden Pachtvertrag nicht aufgeben will). Schluss mit der Förderung der Opposition (wissend, dass die USA ihre Unterstützung für Demokratie-Bewegungen in der ganzen Welt stoisch weiterführt).
Obama versucht mit viel Charisma und warmen Worten die Spannung herauszunehmen. Mehrfach lobte er das Bildungs- und Gesundheitssystem Kubas, betonte die langen Bahnen, in den er denkt. "Meine Hoffnung ist, dass kubanische und amerikanische Kinder von heute, wenn sie erwachsen sind, es als völlig normal erachten, dass der amerikanische Präsident Kuba besucht."
Passend zum Wetter gab sich Raúl Castro bedeckt.
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