Horchposten in bester Lage

Die US-Botschaft in Berlin.
Abhören unter dem Deckmantel der Diplomatie gibt es überall in Europa - auch in Wien.

Es ist ein Grundstück in bester Lage. Vom Pariser Platz in Berlin gelangt man zu Fuß flott zum Büro von Bundeskanzlerin Merkel. Nicht nur zu Fuß, wie der Spiegel zu Wochenbeginn enthüllte, denn die dort postierte US-Botschaft soll das Zentrum für den elektronischen Lauschangriff auf Merkel und ihre Regierung gewesen sein.

Wie aus den Unterlagen des NSA-Aufdeckers Edward Snowden klar hervorgeht, war Berlin einer der Brennpunkte für Abhöroperationen der NSA. In der deutschen Hauptstadt soll ein sogenanntes SCS-Team („Special Collection Service“) gearbeitet haben. Eine Eliteeinheit der US-Auslandsgeheimdienste, die unter dem Deckmantel diplomatischer Missionen der USA operiert. Gut getarnt sollen auf den Dächern der Botschaft Hightech-Anlagen installiert sein, mit denen man sich in alle Übertragungswege der modernen Telekommunikation – von der Mobiltelefonie bis zum WLAN-Netzwerk – einklinken kann. Mit Wärmebildkameras lassen sich in den obersten Etagen des Botschaftsgebäudes Energieverbräuche darstellen, die mit alltäglicher diplomatischer Routine auf keinen Fall erklärt werden können.

Horchposten in Deutschland und Österreich

Horchposten in bester Lage

A combination photo shows antennas and suspected c
Horchposten in bester Lage

A general view shows the U.S. embassy in a thermal
Horchposten in bester Lage

Abandoned antennas of former NSA listening statio
Horchposten in bester Lage

File photo of antennas of Former NSA listening sta
Horchposten in bester Lage

A general view of the former monitoring base of th
Horchposten in bester Lage

A sign hangs from a fence in front of the former m
Horchposten in bester Lage

Horchposten in bester Lage

ÖBB-Personenverkehr AG übersiedelt in den IZD-Towe

Lauschangriff in Wien?

Kein Einzelfall, insgesamt sollen an 80 Standorten von US-Botschaften derartige Spionage-Operationen durchgeführt werden, davon 19 allein in Europa. Zu den wichtigsten Standorten gehören natürlich Städte, in denen UNO-Einrichtungen aktiv sind, also Genf und Wien. In Genf, so berichtete der Schweizer Tagesanzeiger kürzlich, sollen die SCS-Teams von der örtlichen US-Mission aus aktiv sein.

Dass auch am UNO-Sitz in Wien abgehört wird, machen US-Geheimdienstexperten regelmäßig deutlich. Wien war im Kalten Krieg ein Zentrum für Geheimdienstoperationen der Supermächte. Allein der deutlich überdimensionierte Personalstand der diplomatischen Einrichtungen der USA legte nahe, dass sich in scheinbar unwichtigen Einrichtungen der Botschaft Geheimdienst-Mitarbeiter tummelten.

Auch die Zusammenarbeit österreichischer Nachrichtendienste mit den USA hat Tradition. So wurden von der Königswarte in Hainburg im Kalten Krieg abgehörte Informationen aus den benachbarten Warschauer-Pakt-Staaten direkt an die US-Stützpunkte in Deutschland weitergeleitet.

Doch am UNO-Sitz in Wien gibt es auch heute noch brisante Informationen zu holen, heikle Gespräche zu belauschen, allen voran bei der UN-Atombehörde IAEO. Sie steht seit einem Jahrzehnt im Zentrum des Streits um das iranische Atomprogramm. Regelmäßig beklagen sich führende iranische Diplomaten über Informationen, die an die USA gelangt sind, noch bevor sie überhaupt in offiziellen IAEO-Dokumenten auftauchen.

Wo die für solche Abhöraktionen notwendigen Einrichtungen installiert sind, darüber kursieren in Wien seit Monaten Berichte und Gerüchte. Zuletzt rückte eine Villa in der Wiener Nobelgegend Pötzleinsdorf in den Mittelpunkt des Interesses. Sie soll über Jahrzehnte ein Stützpunkt der NSA gewesen sein, von dem aus Telefonate, eMails und Datenverkehr angezapft wurden. Die US-Botschaft erklärte, es handle sich lediglich um ein Zentrum zur Sammlung allgemein zugänglicher Medien und das sei ohnehin veraltet. Die Villa soll schon nächstes Jahr verkauft werden.

Wenn es um Spionage geht, fällt es schwer, Unschuld zu beweisen. Dass Barack Obama nichts von der Abhöraffäre auf das private Handy der deutschen Kanzlerin Angela Merkel gewusst haben soll, kauft James Bamford dem Präsidenten nicht ab. „Wenn die NSA einen verbündeten Staats- oder Regierungschef abhört – besonders im Fall von Privathandys –, muss sie meinem Verständnis nach dafür die Erlaubnis des Präsidenten einholen“, erklärt Bamford, der vielleicht beste Kenner des US-Geheimdienstes NSA.

Bamford (67) ist der Autor von „NSAAmerikas geheimster Nachrichtendienst“ – das allererste Buch, das über die NSA erschienen ist. Der Geheimdienst war nicht glücklich darüber und versuchte, den Autor einzuschüchtern. Zwei Mal habe man versucht, ihn wegen Spionage zu verklagen. Mittlerweile hat sich die NSA mit ihm abgefunden. Heute verwendet sie sein Buch sogar als Lehrbuch für junge Agenten.

Die Arbeit über sein zweites Buch, „Body of Secrets“, sei eine ganz andere Erfahrung gewesen. Man führte ihn durch die Behörde und ließ ihn auch Interviews mit einigen hochrangigen Mitarbeitern machen. Sein drittes Buch, „The Shadow Factory“ ist wieder NSA-kritisch.

Was die NSA von ihm hält, scheint ihn wenig zu sorgen. Auf Facebook kündigte er an, dass er gerade in Berlin ist, um über den neuesten NSA-Abhörskandal zu recherchieren: den mit dem Handy der deutschen Kanzlerin. Und er kritisiert den Spionage-Dienst wegen seiner massenhaften Datensammlung. „Sie bauen einen elektronischen Heuhaufen auf. Der ist riesengroß, und je mehr man ihn aufbaut, desto schwieriger wird es, darin die Nadel zu finden.“

Schlechte Kontrolle

Die schwachen internen Überwachungsmechanismen seien auch sehr problematisch. „Die Kontrollmechanismen sind so locker, dass jemand wie Edward Snowden (der vor einigen Monaten geheime Dokumente über die Arbeit des Dienstes öffentlich machte – Anm.), der unten in der Hierarchie steht, drei, vier Monate lang die geheimsten Informationen des NSA herunterlädt, auf Scheinurlaub nach Hongkong fliegt, und keiner weiß davon, bis er seine Taten selbst öffentlich macht. “

„Hätte er das nicht getan, würde die NSA bis heute nicht wissen, dass die Daten weg sind“, meint Bamford. Er frage sich, was passiert wäre, hätte Snowden nicht aus idealistischen Gründen gehandelt, um die Arbeit der NSA bloßzustellen. Was wäre geschehen, wenn er die Informationen an einen ausländischen Geheimdienst oder an Terroristen verkauft hätte?

Trotz seines großen Wissens findet James Bamford keine logische Erklärung, wieso man enge Verbündete wie Deutschland ausspioniert habe: „Wenn du so etwas deinen Freunden antust, wie sollen sie dir vertrauen?“

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